2017: Wissenschaftliche Recherche zum Dokumentarfilm “Liebe war es nie”


Durchführung: Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr


Finanzierung: Langbein & Partner Media GmbH & Co KG


Fertigstellung: Februar 2018


Im Dokumentarfilm “Liebe war es nie” der israelischen Regisseurin Maya Sarfaty, einer israelisch-österreichischer Koproduktion (Nir Sa’ar und Kurt Langbein), steht die Beziehung zwischen einem SS-Mann und einer jüdischen Häftlingsfrau in Auschwitz-Birkenau im Zentrum. Der SS-Mann ist der im österreichischen Drasenhofen 1922 geborene Franz Wunsch, der als Aufseher und Kommandoführer in “Kanada”, dem Effektenlager von Auschwitz-Birkenau, eingesetzt war. Dort verliebte er sich in die slowakische Jüdin Helena Citrónová. Wunsch galt als brutaler Schläger, launisch und unberechenbar, aber auch als jemand, der gegenüber Bitten von Häftlingen offen war. Er rettete Helenes Schwester nach der Selektion an der Rampe in Auschwitz-Birkenau, ihre beiden Kinder allerdings gingen in den Tod. Beide Schwestern überlebten und wanderten nach Israel aus. Nach 1945 hatte Helena den Kontakt zu Franz Wunsch, der sie über den Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes suchen ließ, verweigert. Allerdings folgte sie 1972 der Zeugenladung des Landesgerichts für Strafsachen Wien im Zuge des Prozesses gegen ihn – zuvor hatte sie ein Bittgesuch von Wunschs Ehefrau erreicht, für ihn auszusagen. Helena bestätigte vor Gericht allerdings auch, dass Wunsch an der Rampe von Auschwitz-Birkenau Dienst machte.

Wesentlicher Bestandteil der Recherche in Österreich war die Sichtung und Aufbereitung des zehn Bände umfassenden Gerichtsakts zum Prozess im Wiener Stadt- und Landesarchiv. In diesem zweiten Auschwitzprozess des Jahres 1972 war auch der Österreicher Otto Graf, ebenfalls SS-Unterscharführer und Angehöriger der Wachmannschaft in Auschwitz-Birkenau, angeklagt; beiden wurde vorgeworfen, an der Tötung einer großen Anzahl von Menschen in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau beteiligt gewesen zu sein sowie einzelne jüdische und polnische Häftlinge eigenhändig ermordet zu haben. Beide wurden vom Geschworenengericht freigesprochen. Die wesentlichen Fragen für die Durchsicht des Materials kreisten um die Prozessführung des Gerichts, die Verteidigungsstrategie Franz Wunschs und die Charakterisierung des Angeklagten durch die befragten ZeugInnen. Teil der Recherche war auch, ehemalige ProzessteilnehmerInnen bzw. -beobachterInnen ausfindig zu machen und sie nach Möglichkeit vor die Kamera zu bitten. Zu einigen gelang die Spurensuche, doch waren die Erinnerungen an den Prozess meist bereits verschüttet. Als österreichische Beteiligte konnten zumindest der damalige Staatsanwalt und einer der Geschworenen noch interviewt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt lag bei der Recherche zur medialen Berichterstattung. Auffällig war, dass es keinerlei Radio- oder TV-Beiträge zum Prozess gibt. Auch in den österreichischen Printmedien hielt sich das Interesse in Grenzen. Längere Artikel fanden sich lediglich in ausländischen Zeitungen (in den USA, Kanada und den Niederlanden). Für die Medienrecherche wurden in erster Linie der Nachlass von Hermann Langbein im Österreichischen Staatsarchiv, das Simon Wiesenthal-Archiv und die SOWIDOC-Stelle der Arbeiterkammer Wien konsultiert.

Der Dokumentarfilm thematisiert auch, wie in den Familien die Vergangenheit präsent ist. Maya Sarfaty hat dafür die Kinder der beiden bereits verstorbenen Schwestern wie auch die Tochter des ebenfalls verstorbenen Franz Wunsch befragt sowie letztere zu einer Begegnung mit den Angehörigen von Helena nach Israel eingeladen.