2014: “… aus Almosenempfängern anspruchsberechtigte Bürger zu machen.” Sozialminister Anton Proksch und die österreichische Sozialversicherung


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka


Durchführung: Dr. Guenther Steiner


Finanzierung: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger


Fertigstellung: Dezember 2014


Am 29. April 1975 starb Anton Proksch. Von Jänner 1956 bis zum Ende der ersten Großen Koalition im April 1966 war er Bundesminister für soziale Verwaltung. In den zehn Jahren von 1945 bis 1955 hat er als Leitender Sekretär bzw. Generalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes die Sozialpolitik mitbestimmt. Seinen 40. Todestag nahm der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zum Anlass, seine Rolle für die Entwicklung der Sozialversicherung in diesem Projekt aufarbeiten zu lassen. Es ist dies die Fortsetzung der Reihe, die mit der Arbeit über Johann Böhm begonnen und mit jenen über Karl Maisel, Friedrich Hillegeist und Josef Resch fortgesetzt wurde. Der vorliegende Bericht basiert auf Primärquellen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung im Archiv der Republik des Österreichischen Staatsarchives und anderer Archive, nicht zuletzt dem Nachlass von Anton Proksch im Archiv des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung, auf Protokollen und Zeitungsberichten sowie publizierten Sekundärquellen, den Veröffentlichungen von Anton Proksch und schließlich auf Zeitzeugeninterviews.

Die Amtszeit des Sozialministers Anton Proksch ist die „Nach-ASVG-Ära“. Die großen Themen waren Folgenwirkungen des 1955 verabschiedeten Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz: die Anpassung der sogenannten Altrenten bis zum Pensionsanpassungsgesetz 1965, die Frage der Finanzierung der Krankenkassen, und schließlich kann die Einbeziehung der Selbständigen in die Pensions- und Krankenversicherung ebenfalls zum Teil als Auswirkung des ASVG begriffen werden. Sie war aber auch durch den sozioökonomischen Wandel der 1950/60er Jahre bedingt und stellt umgekehrt den Übergang der Sozialversicherung von einem Teil der „Arbeiterfrage“ zum Sozial- und Wohlfahrtsstaat dar. Diese Leistungsverbesserungen und Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten hatten nicht zuletzt wesentlich mit der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung dieser Jahre zu tun.

Anton Proksch selbst kam aus „einfachen“ Verhältnissen und war von Jugend an tief in der Gewerkschaftsbewegung verankert. Hatte er schon in der Ersten Republik die Jugendsektion der Gewerkschaft aufgebaut, trug er in der Zweiten Republik als Generalsekretär ganz wesentlich zum Aufbau und damit zur Machtstellung des Gewerkschaftsbundes in der Sozialpolitik bei. Seiner Position verdankte er sein Amt als Sozialminister. Als solcher betonte er die Bedeutung des Gewerkschaftsbundes für die Sozialpolitik und war ihr „energischer Erfüllungsgehilfe“.

Sein Verständnis von Sozialversicherung war ein umfassendes. Aus dem Verständnis, dass die beste soziale Absicherung ein sicherer Arbeitsplatz sei, war ihm Arbeitsmarktpolitik gegenüber Sozialversicherung vorrangig. Aufgrund dieser Sichtweise, die sich mit dem Bestreben der SPÖ nach der Volkspension deckte, forcierte er die Einbeziehung der Selbständigen in die Pensions- und Krankenversicherung und arbeitete hier mit den Bauernvertretern, etwa Alois Scheibenreif, zusammen. Besondere Hartnäckigkeit bewies Proksch bei der Erhöhung der Altrenten, die nur in Etappen gelang, bis zum Pensionsanpassungsgesetz 1965 und bei der Frage der Sanierung der Krankenkassen. Proksch sprach sich aus sozialethischer Verpflichtung für eine Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand in der Sozialversicherung aus. Wesentlich war ihm auch die Gesundheitsfürsorge; so hat er das heute nach ihm benannte Institut gegen Suchtkrankheiten wesentlich gefördert.

Mit seinem umfassenden Verständnis von Sozialversicherung und seiner Hartnäckigkeit zum Ausbau derselben wesentlich beigetragen zu haben, ist ein bleibendes Verdienst von Anton Proksch.

Die Arbeit ist als Buchpublikation im ÖGB-Verlag erschienen.