2001: Wie ist die Haltung der Exekutive zu Fremden in Österreich und wie geht sie mit ihnen um?


Projektleitung und Durchführung: Dr.in Birgitt Haller


unter Mitarbeit von: Dr. Gert Feistritzer, IFES


Finanzierung: Bundesministerium für Inneres


Fertigstellung: Januar 2001


Die Fragestellung dieses Forschungsprojektes lautete, ob eine Voreingenommenheit der Exekutive gegenüber Fremden besteht, was gegebenenfalls die Ursachen dafür sind und wie sich eine solche Voreingenommenheit auf die Berufsausübung auswirkt. Außerdem sollte eine allenfalls bestehende Fremdenfeindlichkeit in der Exekutive mit einer solchen Einstellung innerhalb der österreichischen Bevölkerung in einen größenmäßigen Bezug gesetzt werden. Um die letztgenannte Themenstellung abzudecken, wurde dem Meinungsforschungsinstitut IFES (Projektleitung: Dr. Gert Feistritzer) der Auftrag erteilt, unter teilweiser Verwendung eines Fragenprogramms, mit dem 1998 Fremdenfeindlichkeit innerhalb der österreichischen Bevölkerung erhoben worden war, eine repräsentative österreichweite Umfrage innerhalb der Exekutive durchzuführen. Nach einer Zufallsauswahl wurden 456 ExekutivbeamtInnen, gestreut nach Wachkörperzugehörigkeit, Dienstort, Schulbildung, Alter, Geschlecht und Tätigkeitsbereich, befragt. Neben Einstellungen der Befragten gegenüber (bestimmten Gruppen von) Fremden wurden auch ihre berufliche Situation und ihre Arbeitszufriedenheit erhoben, weil sich grundsätzlich eine hohe Arbeitszufriedenheit tendenziell positiv auf die konkrete Berufsausübung auswirkt. Der zweite methodische Zugang zum Thema erfolgte über die Durchführung von rund 50 leitfaden-orientierten Interviews, mit denen zum überwiegenden Teil die Sicht von VertreterInnen der Exekutive, aber auch von einigen VertreterInnen einer “Außensicht” auf die Tätigkeit von Polizei und Gendarmerie erhoben wurde. Das Ergebnis der Untersuchung kurz gefasst: In der österreichischen Exekutive finden sich fremdenfeindliche Einstellungen, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß als im Bevölkerungsdurchschnitt. Diese Einstellungen äußern sich auch in diskriminierenden Handlungen, und zwar insbesondere in Unhöflichkeit und Unduldsamkeit; Hinweise auf massivere Vorfälle fanden sich kaum.

Anhand der unterschiedlichen Einschätzungen von Exekutive und Bevölkerung hinsichtlich der Einhaltung von Gesetzen durch bestimmte Personengruppen lässt sich aufzeigen, wie sehr Einstellungen bei BeamtInnen durch negative berufliche Einzelerfahrungen beeinflusst sind, die in der Folge generalisiert werden. So vermuten BeamtInnen wesentlich stärker als die österreichische Bevölkerung, dass TürkInnen und AsiatInnen gesetzestreu seien, schreiben ein solches Verhalten aber in deutlich geringerem Ausmaß als die Vergleichsgruppe PolInnen zu. Kriminalitätserfahrungen mit PolInnen (die auch in den Interviews immer wieder angesprochen wurden) führen dazu, dass diese Gruppe generell als weniger gesetzestreu eingeschätzt wird. Hinsichtlich der Gruppe der SchwarzafrikanerInnen liegen keine Vergleichsdaten aus der Bevölkerung vor, aber hier sind Unterschiede zwischen Polizei und Gendarmerie augenfällig: Bei der Polizei nehmen nur fünf Prozent an, dass sich SchwarzafrikanerInnen bemühen würden, Gesetze einzuhalten, bei der Gendarmerie dagegen 15 Prozent. Hier spiegeln sich unterschiedliche Erfahrungszusammenhänge in beiden Wachkörpern wider: In Österreich ansässige SchwarzafrikanerInnen leben überwiegend in Städten, also im Polizeigebiet.

Will man Fremdenfeindlichkeit nicht nur konstatieren, sondern auch ihren Ursachen entgegenwirken, ist es wichtig zu klären, wodurch Einstellungen gegenüber Fremden beeinflusst werden. Dabei ist grundsätzlich zwischen einer eher vagen, allgemeinen negativen Fremdwahrnehmung/ Ausländerablehnung und einer klaren rassistischen bzw. antisemitischen Einstellung zu unterscheiden. Zunächst beeinflusst die Zugehörigkeit zum Wachkörper die generelle Haltung gegenüber Fremden: Bei der Gendarmerie werden Fremde stärker abgelehnt als bei der Polizei, wobei das relevante Unterscheidungsmerkmal in diesem Zusammenhang die Tätigkeit in der Stadt bzw. am Land ist. Auch in der österreichischen Bevölkerung ist die Fremdenfeindlichkeit am Land stärker ausgeprägt als in der Stadt. Weiters kommt dem Bildungsniveau eine wichtige Rolle zu, und zwar dahingehend, dass Personen ab Maturaniveau Fremden gegenüber generell weniger ablehnend eingestellt sind als Personen ohne Matura. Alter und Geschlecht spielen dagegen in Hinblick auf eine allgemeine negative Grundhaltung gegenüber Fremden keine eindeutige Rolle, haben aber bestimmenden Einfluss auf rassistische und antisemitische Vorurteile. Rassistische und antisemitische Orientierungen finden sich vor allem bei Älteren, und Antisemitismus gab es fast ausschließlich bei Männern. Alle diese Tendenzen gelten nicht nur für die Exekutive, sondern ebenso für die Gesamtbevölkerung.

BeamtInnen, die an ihrer Dienststelle ein schlechtes Betriebsklima konstatieren, lehnen AusländerInnen stärker ab als diejenigen KollegInnen, die das Arbeitsklima als gut oder sehr gut bezeichnen. Die zu Beginn formulierte These, dass sich eine hohe Arbeitszufriedenheit tendenziell positiv auf die konkrete Berufsausübung auswirkt, findet hier ihre Bestätigung. Schließlich ist noch auf den signifikanten Einfluss der Mediennutzung zu verweisen. LeserInnen, die der politischen Berichterstattung der Kronenzeitung vertrauen, sind deutlich stärker ausländerfeindlich als solche, die andere Zeitungen bevorzugen.

Die GesprächspartnerInnen für die im Anschluss an die Repräsentativerhebung durchgeführten Interviews waren vor allem im Bundesministerium für Inneres, im Ausbildungs-/ Schulbereich, bei der Fremdenpolizei, im Grenzdienst bzw. in Wachzimmern oder auf Gendarmerieposten tätig, wobei sowohl leitende als auch dienstführende und eingeteilte BeamtInnen befragt wurden. Zusätzlich zur Innensicht wurde die Außensicht miteinbezogen, und zwar v.a. durch Gespräche mit VertreterInnen von NGOs, die in der Aus- und Fortbildung eingebunden sind, mit RechtsanwältInnen, dem Wiener Integrationsfonds und dem Menschenrechtsbeirat. Die Einschätzung der InterviewpartnerInnen ging mehrheitlich dahin, dass in der Exekutive Fremdenfeindlichkeit genau so verbreitet sei wie in der Gesamtbevölkerung – mit dem Argument, dass die Exekutive sich ja aus der Bevölkerung rekrutiere und daher ein Spiegelbild der Bevölkerung darstelle. Einige schränkten diese Aussage dahingehend ein, dass man das Verhalten von ExekutivbeamtInnen allerdings an anderen Standards messen müsse als das der DurchschnittsösterreicherInnen. Die meisten InterviewpartnerInnen waren der Ansicht, dass sich fremdenfeindliche Einstellungen bei den ExekutivbeamtInnen im beruflichen Alltag entweder gar nicht oder “nur” in diskriminierenden Umgangsformen Fremden gegenüber äußern würden, wogegen Amtshandlungen aber grundsätzlich korrekt durchgeführt würden.

Um “gelebte” Fremdenfeindlichkeit in der Exekutive möglichst gering zu halten, wurde es einhellig für wichtig erachtet, Seminare anzubieten, die sich mit persönlichen Vorurteilen auseinandersetzen. Neben der Aus- und Fortbildung komme das stärkste Gewicht für eine erfolgreiche Immunisierung gegenüber xenophoben Tendenzen den unmittelbaren Vorgesetzten als “Vorbildern” zu. Insgesamt scheint der Gedanke des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, dass die Exekutive die größte Menschenrechtsorganisation sei, da sie zur Einhaltung und Aufrechterhaltung der Menschenrechte verpflichtet sei (Öffentliche Sicherheit 5/00, 13), in der Beamtenschaft noch zu wenig verankert: Er wurde zwar von den meisten GesprächspartnerInnen akzeptiert, aber eher als Phrase wiedergegeben und kaum mit Inhalten gefüllt.