Projektteam: | Mag.a Dr.in Helga Amesberger Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr |
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Finanzierung: | Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft | |
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Fertigstellung: | Oktober 2022 |
Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) beauftragte das Institut für Kon-fliktforschung, ein Gutachten über deren Rolle in der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch pädagogische Professionelle zu erstellen. Lange Zeit als randständiges Thema innerhalb der DGfE geltend, lässt sich zumindest ab dem Jahr 2010, in dem Missbrauchsfälle an verschiedenen pädagogischen Einrichtungen Deutschlands publik wurden und zuerst medial, dann aber auch zunehmend im fachlichen Diskurs Wellen schlugen, eine verstärkte Auseinandersetzung innerhalb der DGfE erkennen. Konkret war der DGfE daran gelegen zu klären, „ob und wenn ja in welcher Weise die DGfE als Fachgesellschaft zu einem Klima der Ausblendung, der (stillschweigenden) Akzeptanz und Legitimierung von sexualisierter Gewalt beigetragen hat“, so in der Beauftragung.
Die zentralen Ausgangspunkte für die Untersuchung waren zum einen die Missbrauchsvorkommnisse an der reformpädagogisch ausgerichteten Odenwaldschule. Deren Leiter Gerold Becker (1972–1985) sowie weitere Lehrkräfte wurden (schwerer) sexueller Übergriffe beschuldigt. Zum anderen ging es um die Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen bei vorbestraften Pädophilen durch die Berliner Kinder- und Jugendhilfe in den 1970er-Jahren, die mit dem Namen Helmut Kentler verbunden ist. In beiden Fällen, so die DGfE, würden sich Fragen zu ihrer Verantwortung stellen.
Die Beauftragung umfasste die Aufarbeitung des Umgangs der DGfE mit sexueller/sexualisierter Gewalt anhand der Aktenbestände der DGfE, die im Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) in Berlin aufbewahrt sind. Die für uns relevanten Aktenbestände der DGfE umfassten: die Protokolle der Vorstandssitzungen, der Vorstände von Sektionen und Kommissionen, von Mitgliederversammlungen; die Unterlagen der DGfE-Vorstandsvorsitzenden; Korrespondenzen und Unterlagen über die Vor- und Nachbereitung von Kongressen, von Preisvergaben, von Kommissionen und Workshops, Mitgliederlisten und -akten, etc. Zur Untersuchungsbasis zählten des Weiteren die Mitteilungshefte der DGfE sowie die bereits existierenden Dokumentationen und wissenschaftlichen Analysen zu beiden Vorgängen und den der sexualisierten Gewalt Beschuldigten. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung erstreckte sich von der Gründung der DGfE im Jahr 1964 bis 2014.
Die Dokumentenanalyse erfolgte – nach gründlichem Studium der einschlägigen Fachliteratur zum Thema – mit dem Ziel, die Frage nach der Involviertheit der DGfE wie auch jener nach der Verantwortlichkeit, die dem Fachverband im Umgang mit dem Thema zukommt, zu klären. Anhand einer Zeitleiste, die zum einen in Zusammenhang mit Sexualität und (sexueller) Gewalt zentrale gesellschaftspolitische Ereignisse und Diskussionen sowie das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Deutschland und zum anderen die Beschäftigung der DGfE mit dem Thema gegenüberstellt, wurde analysiert, wie und ob die DGfE sich dem Thema der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch pädagogische Professionelle stellte und agierte.
Im Gutachten, das im Herbst 2022 fertiggestellt wurde, zeichnen wir in einem einleitenden Kapitel den für unser Thema relevanten gesellschaftspolitischen Diskurs ab den 1960-Jahren nach, bevor wir in zwei ausführlicheren Kapiteln auf die Beziehung von Gerold Becker und die DGfE sowie Helmut Kentler und die DGfE eingehen – soweit sich diese im Spiegel der DGfE-Akten nachzeichnen ließen. Im Anschluss daran befassen wir uns mit der Frage, inwiefern die DGfE als Teil eines Netzwerkes von Gerold Becker und Helmut Kentler gesehen werden kann. Im darauffolgenden Kapitel gehen wir der Verantwortung und Involvierung im Hinblick auf die Thematisierung von sexualisierter Gewalt durch pädagogisch Professionelle durch die Fachgesellschaft nach, wie es sich – gemäß Satzung, aber auch gemäß geführter Diskussionen – nachzeichnen lässt. Zuletzt formulierten wir Schlussfolgerungen und Empfehlungen.
Die Ergebnisse der Studie werden bei der Herbsttagung der DGfE im November 2023 der Fachöffentlichkeit vorgestellt und mit dieser deren Implikationen für die DGfE und die Erziehungswissenschaft insgesamt diskutiert.