2021: Justizielle Verfahrenserledigung bei Partnergewalt


Projektteam: Dr.in Birgitt Haller (Leitung)
Viktoria Eberhardt, BA Bakk.phil MA
Valeria Zenz, MA


Finanzierung: Bundesministerium für Justiz


Fertigstellung: Mai 2021


Ausgangspunkt für die Studie war eine bereits 2014 durchgeführte Analyse von Partnergewalt betreffenden Akten der Staatsanwaltschaft Wien. Ein Ergebnis der damaligen Untersuchung war, dass Verfahren wegen Partnergewalt überwiegend von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden und dass andererseits ein sehr geringer Teil der Strafanzeigen zu einer Verurteilung führte. Die Verurteilungsquote lag bei 8,5 Prozent (bezogen auf die Tatverdächtigen).

Eine neuerliche Durchführung der Untersuchung, diesmal unter Berücksichtigung von Akten aus allen vier Oberstaatsanwaltschaften aus dem Jahr 2019, wobei wieder im Fall einer Anklageerhebung die Gerichtsakten einbezogen wurden, zeigt insgesamt Verbesserungen auf.

Einbezogen wurden Mord, (schwere) Körperverletzung, (schwere) Nötigung, gefährliche Drohung, fortgesetzte Gewaltausübung sowie Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung. Im Rahmen dieser repräsentativen Studie wurde nicht nur die justizielle Erledigung der Verfahren erhoben, sondern ergänzend Daten wie z.B. sozioökonomische Charakteristika von Opfer und Tatverdächtigem/Täter, Beziehungsverhältnis, Gewaltgeschichte, Aussageverhalten oder die Nutzung von Prozessbegleitung. Für die Datenerhebung und -auswertung wurden die 2014 entwickelten Instrumente adaptiert, um die Studienergebnisse vergleichbar zu machen. Ziel ist es, Justizhandeln bei Partnergewalt, heruntergebrochen auf die regionale Ebene, zu analysieren und mögliche Verbesserungen des Reaktionsspektrums betreffend Partnergewalt zu thematisieren.

Insgesamt wurden 319 Akten der Staatsanwaltschaften jeweils inklusive der Tagebücher analysiert, davon 140 aus dem Sprengel Wien, achtzig aus dem Sprengel Graz und je vierzig aus den Sprengeln Linz und Innsbruck.

Dabei bestehen teilweise deutliche Unterschiede zwischen den OStA-Sprengeln, nicht nur hinsichtlich der Verfahrenserledigungen, sondern auch Einflussfaktoren betreffend. So weist der OStA-Sprengel Wien den höchsten Anteil an Verfahrenseinstellungen aus (58 Prozent der Fälle), aber relativ viele Übergriffe werden nicht von der Opferzeugin selbst, sondern von Dritten angezeigt – und unter dieser Voraussetzung sinkt die Aussagebereitschaft.

Grundsätzlich zeigen Opferzeuginnen eine sehr hohe Aussagebereitschaft, und zwar nicht nur bei der polizeilichen Einvernahme, sondern auch in der Hauptverhandlung. Entschlagungen erfolgten fast ausschließlich in aufrechten Beziehungen. Die Verfahrensdauer spielt für das Aussageverhalten keine Rolle, wobei nur zwölf der hundert Gerichtsverfahren länger als sechs Monate ab Anzeigeerstattung dauerten.

Die Verhängung eines Betretungsverbots in Zusammenhang mit der Anzeigeerstattung spielt bei der Verfahrenseinstellung eine Rolle: Lag ein Betretungsverbot vor, wurden nur 53 Prozent der Verfahren eingestellt, andernfalls 70 Prozent. Dasselbe gilt für Anklageerhebungen, die nach Betretungsverboten deutlich häufiger erfolgten.