Projektleitung: | Dr.in Birgitt Haller | |
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Durchführung: | Dr.in Birgitt Haller Justina Kaiser, MA |
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Finanzierung: | Bundeskanzleramt, Sektion Frauen und Gleichstellung Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz |
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Fertigstellung: | Dezember 2018 |
Die Untersuchung bestand aus zwei Teilen: der Evaluierung des Wiener Anti-Gewalt-Programms, das seit 1999 von der Männerberatung Wien und der Interventionsstelle Wien in Kooperation durchgeführt wird (BKA, Frauensektion), und der geplanten Evaluierung eines weiteren OTA-Anti-Gewalt-Trainings, das aber im Vorfeld noch nicht festgelegt war (Sozialministerium).
Der wichtigste Standard in der OTA besteht im fallbezogenen Informationsaustausch zwischen der involvierten Opferschutzeinrichtung und derjenigen Einrichtung, die Täterarbeit durchführt. Die drei Pfeiler, auf denen OTA ruht, sind damit die psychosoziale Arbeit mit Tätern, das Unterstützungsangebot für gewaltbetroffene Personen sowie der fallbezogene Informationsaustausch zwischen Täterarbeit und Opferschutz. Dieser setzt voraus, dass der Klient die durchführende Einrichtung von der Verschwiegenheit entbindet, anders als beim Beratungsansatz, der auf Vertraulichkeit und Verschwiegenheit basiert und davon ausgeht, dass sich der Täter aus seiner Eigenverantwortung heraus verändert.
Die Evaluierung des “Wiener Modells” zielte darauf, unter Verwendung eines quantitativen sowie eines qualitativen Zugangs zu erheben, ob und inwieweit die Teilnahme am Anti-Gewalt-Training (AGT) zu einer Reduktion der Gewalt und der Gefährlichkeit führt. Bereits 2013 hat ein Mitarbeiter der Männerberatung Wien (MÄB) eine interne Evaluation des Trainingsprogramms im Zeitraum 1999 bis 2010 durchgeführt, an die unsere Erhebung (Zeitraum 2011 bis 2018) anschließen konnte.
Die Männer, die sich für das AGT interessierten und eine Clearingphase durchlaufen mussten (nicht alle werden zugelassen), sind durchschnittlich 34 Jahre alt und zu drei Vierteln Österreicher. Ein Drittel der Männer ist verheiratet, rund 28 Prozent leben alleine. Nur jeder zweite ist vollzeitbeschäftigt, ein hoher Anteil von mehr als einem Drittel ist arbeitslos, und Männer mit einer abgeschlossenen Lehre sind deutlich überrepräsentiert, Männer mit Matura bzw. Hochschulabschluss leicht unterrepräsentiert. Bei vielen zeigten sich Risikofaktoren für eine Gewaltanwendung gegen die Partnerin: Jeder zweite gab an, auf die Partnerin öfters eifersüchtig zu sein sein, und ebenfalls jeder zweite hatte Gewalt in der Herkunftsfamilie erlebt. Acht Prozent sind täglich betrunken, und fast die Hälfte ergänzte, unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gewalttätig zu werden. Bei der Gefährdungseinschätzung der MÄB zeigte sich bei rund zwölf Prozent ein erhöhtes Röckfallrisiko. Von den Partnerinnen der Männer, die durch die Interventionsstelle (IST) betreut wurden, schätzten siebzig Prozent ihren Partner als gefährlich ein.
Anhand der von ihnen eingesetzten Gewaltformen wurden die Männer in drei Cluster unterteilt: Männer, die ausschließlich nicht-schwere körperliche Gewalt anwenden (55 Prozent), solche, die massivere physische Gewalt ebenso wie Drohungen und emotionale Gewalt einsetzen (vierzig Prozent), und fünf Prozent, die alle Gewaltformen und schwere Gewalt anwenden, die eifersüchtig sind und ihre Partnerin kontrollieren. Für die letztgenannte Gruppe können aufgrund ihrer geringen Größe keine verallgemeinerbaren Aussagen getroffen werden, für die beiden anderen, die sich deutlich voneinander unterscheiden, ist das möglich.
Im Cluster 1 wurden fast gleich viele Teilnehmer von der Justiz zugewiesen wie sich selbst gemeldet haben, im Cluster 2 überwiegen Selbstmelder, die aus eigenen Stücken ein AGT absolvieren möchten, deutlich. Im Cluster 1 war rund jeder Dritte auch außerhalb der Familie gewalttätig, im Cluster 2 mehr als jeder Zweite. Die Gruppe, die schwerere Gewalt anwendet, weist ein problematisches Trinkverhalten auf, jeder fünfte erzielt ein auffälliges Ergebnis bei der Borderline-Symptomatik und bei doppelt so vielen Männern wie in der anderen Gruppe zeigt sich ein erhöhtes Rückfallrisiko.
Vergleicht man die aktuellen Ergebnisse mit denen der früheren Untersuchung, zeigen sich aktuell bei Programmabschließern größere Rückgänge bei der Anwendung von Gewalt. Zwar berichteten 44 Prozent von erneuter Gewalt gegen die Partnerin, aber lediglich sieben Prozent übten weiterhin körperliche Gewalt aus (vorher: 63 Prozent erneute Gewalt, 15 Prozent erneut ausschließlich physische Gewalt). Allerdings gibt es bei der jetzigen Studie ein methodisches Problem, nämlich die teilweise geringe Zahl der zur Verfügung stehenden Fragebögen. Wenn auch nicht zuverlässig festgestellt werden kann, wie groß die Rückgänge ausfallen, lässt sich aus den Ergebnissen doch ablesen, dass die Teilnahme am AGT zu einer Reduktion der Gewalt führt.
Ergänzend zu dieser Analyse von quantitativen Daten erfolgten qualitative Interviews mit sechs (ehemaligen) Partnerinnen von Programmabschließern sowie mit zwei Abschließern. Dabei wurde deutlich, dass es zwei Typen von Trainingsteilnehmern gibt: die engagierten und diejenigen, die das AGT wohl nur absolvieren, weil ihre Partnerin darauf drängt. Alle Männer nahmen als Selbstmelder am Training teil, aber vier der sechs wurden von ihrer Partnerin nach einem Gewaltvorfall auf das Angebot aufmerksam gemacht und aufgefordert, sich dort anzumelden – mehrheitlich verbunden mit der Ankündigung, sich andernfalls von ihnen zu trennen. Die Partnerinnen der beiden Männer, die sich nicht wirklich engagierten, machten diese Drohung einige Monate nach Programmabschluss wahr, weil keine nachhaltigen Veränderungen erfolgten. Diejenigen Männer, die das Training ernst nahmen, diskutierten das Gelernte Zuhause und tauschten sich laufend mit ihren Partnerinnen aus, die sich im Interview alle sehr zufrieden mit den Effekten des Trainings zeigten.
OTA-Angebote werden zwar derzeit in mehreren Bundesländern von unterschiedlichen Trägern entwickelt bzw. teilweise bereits umgesetzt, aber die einzige Einrichtung, die auf eine längere Praxis zurückblicken kann, ist der Verein für Männer- und Geschlechterthemen (VMG) Steiermark, der 2014 mit der Implementierung von OTA begonnen hat und der mit dem Grazer Frauenhaus ebenso wie mit dem Gewaltschutzzentrum Steiermark zusammenarbeitet. Ein direkter Vergleich der OTA-Programme in der Steiermark und in Wien ist nicht möglich, weil in der Steiermark die Ergebnisse der Diagnostik der Gewalttäter nicht in derselben Form wie in Wien dokumentiert werden und die Praxis in den beiden Bundesländern sehr unterschiedlich ausgestaltet ist. Daher erfolgte in der Steiermark eine rein qualitative Untersuchung, für die GewaltschutzexpertInnen sowie Gewaltopfer interviewt wurden.