Projektleitung: | Dr.in Birgitt Haller | |
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Durchführung: | Mag.a Dr.in Helga Amesberger Beate Gassner BA Dr.in Birgitt Haller |
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Finanzierung: | Arbeiterkammer Wien, Frauen und Familie Arbeitsmarktservice Österreich |
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Fertigstellung: | Dezember 2016 | |
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Projektbericht zum Download |
Junge Frauen und Männer zwischen 17 und Mitte Zwanzig wurden zu ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung befragt, insbesondere dazu, was es auf der strukturellen und auf der persönlichen Ebene schwierig macht, sich dagegen zur Wehr zu setzen, wer als Vertrauensperson gesehen wird und welche Unterstützung notwendig wäre. Gespräche erfolgten einerseits mit Mädchen und Burschen, die sich bereit erklärten, über ihre Erfahrungen mit Belästigungen zu sprechen, und andererseits mit Personen, bei denen uns im Vorfeld nichts über entsprechende Erlebnisse bekannt war. Befragt wurden 31 junge Frauen und 19 Burschen, teilweise in Einzelgesprächen, teilweise in Gruppen. Ergänzend erfolgten Interviews mit ExpertInnen aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen.
Zwei Mädchen (und keiner der Burschen) erstatteten nach einem Übergriff Anzeige bei der Polizei, zwei gingen zu Gericht. Warum werden sexuelle Belästigungen überwiegend geheim gehalten?
Eine wesentliche Schwierigkeit besteht darin, eine sexuelle Belästigung als solche zu erkennen und zu benennen, das ist aber Voraussetzung dafür, sie von vorneherein bzw. möglichst rasch zu unterbinden. Sexuelle Belästigungen erfolgen im Regelfall zunächst nicht offen und eindeutig, deshalb lassen sich die Opfer auf vermeintlich freundschaftlich-kollegiale Angebote oder einen Flirt ein (die interviewten Frauen wurden ausschließlich von Männern belästigt), lassen “unabsichtliche” Berührungen zu, und haben dann das Gefühl, nicht mehr zurückzukönnen, um nicht als “zickig” oder “Spaßverderberin” dazustehen. Je länger Übergriffe andauern, umso schwieriger wird es, Stopp zu sagen. Erschwerend kommt bei jungen Opfern von Belästigungen hinzu, dass sie vieles als “normal” hinnehmen, was Ältere eindeutig aufgrund von persönlicher Reife und Lebenserfahrung als Übergriff erleben.
Bei den Burschen ist das Tabu möglicherweise noch stärker: Es gab im Rahmen der Untersuchung eine einzige Gesprächsrunde, in der niemand, und sei es auch nur über Dritte, von sexuellen Belästigungen gehört hatte, und das waren bezeichnenderweise Burschen. (Die Männer hatten im Übrigen sowohl durch Frauen als auch durch Männer Übergriffe erlebt, und zwar vor allem von KundInnen ihres Dienstgebers.)
Die befragten Jugendlichen hatten auch firmenintern Übergriffe kaum bekannt gemacht, weil sie meist “realistischer Weise” nicht damit rechnen, betriebsintern unterstützt zu werden. (Ausnahmen stellen Belästigungen durch KundInnen dar, die aber gleichzeitig weniger schwerwiegend sind als die von Kollegen und Vorgesetzten.) Es gab nur vereinzelt Beispiele, bei denen ein Vorgesetzter der Belegschaft klarmachte, dass er sexuelle Übergriffe nicht dulde. Manche Opfer vertrauten sich weiblichen Kolleginnen an, die zwar zuhörten, gelegentlich Trost spendeten, sich aber sehr selten als Bündnispartnerinnen anboten.
Die meisten Jugendlichen kennen keine Beratungseinrichtungen, bei denen sie sich Unterstützung holen könnten, am ehesten ist die Arbeiterkammer bekannt. Ob es in der Firma einen Betriebsrat gibt, wissen die meisten nicht, einzelne nennen Vertrauenspersonen im Ausbildungsumfeld. Gleichbehandlungsgesetze und die dadurch etablierten Einrichtungen sind den Jugendlichen offenkundig nicht bekannt.
Letztlich werden die Betroffenen fast ausschließlich durch ihr privates Umfeld unterstützt. Sie vertrauen sich insbesondere der Freundin oder dem Partner an, manchmal auch den Eltern. Das Sich-Aussprechen bringt emotionale Entlastung und die Bestätigung, dass sie Unrecht erlebt haben – viele Mädchen haben mit der Überlegung zu kämpfen, ob sie nicht an den Übergriffen “mitschuldig” sind. (Anders als die Burschen, die auf die entsprechende Frage mit Unverständnis reagieren.)
Nur für einen Täter hatten die sexuellen Belästigungen berufliche Folgen, er wurde nach einer strafrechtlichen Verurteilung entlassen. Sonst gab es weder Versetzungen noch sonstige Sanktionen, während manche Opfer sowohl mit beruflichen als auch gesundheitlichen Auswirkungen konfrontiert waren.
Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene ist eine Enttabuisierung des Themas Voraussetzung für ein Verhindern von sexuellen Belästigungen. Ebenso wichtig ist “gelebte” Gleichbehandlung und Antidiskriminierung in allen sozialen Instanzen. Die Häufung von betriebsinternen Übergriffen bei Ausflügen, Feiern und anderen halb-privaten Gelegenheiten ist ein Hinweis darauf, dass Gleichbehandlung im beruflichen Kontext zumindest teilweise als Regel akzeptiert ist, gleichzeitig aber auf diesen beschränkt bleibt.
Im Konkreten ist es wichtig, MitarbeiterInnen präventiv in der Selbstermächtigung zu unterstützen, d.h. bei Einschulungen z.B. im Gastgewerbe und anderen besonders gefährdeten Branchen müssen ihnen Handlungsmöglichkeiten als Reaktion auf Übergriffe angeboten werden. Gedacht ist dabei etwa an den in einem Interview erwähnten Anti-Sexismus- und Anti-Rassismus-Workshop mit Selbstverteidigungselementen für Beschäftigte in einem Gastronomieunternehmen.