
Projektleitung: | Dr.in Birgitt Haller | |
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Durchführung: | Mag.a Helga Amesberger Dr.in Regina Dackweiler Mag.a Brigitte Halbmayr Mag.a Barbara Liegl |
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Finanzierung: | Bundesministerium für Inneres | |
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Fertigstellung: | Mai 1999 |
Das Forschungsprojekt setzt an drei unterschiedlichen Ebenen an: Zunächst wurden in acht ausgewählten Untersuchungsregionen 1.074 Einschreitungen von Polizei und Gendarmerie bei Gewalt in der Familie im Zeitraum Mai 1997 bis Oktober 1998 quantitativ ausgewertet. Diese Einschreitungen umfassen Streitschlichtungen, Wegweisungen/Rückkehrverbote (WW/RKV) und (teilweise) Strafanzeigen. Damit konnten generalisierbare Aussagen etwa über die Sozialdaten der gefährdeten Personen und Gefährder, über die genaueren Umstände des Einschreitens oder über die Häufigkeit von Einstweiligen Verfügungen getroffen werden. Parallel dazu wurden in denselben Untersuchungsregionen Interviews mit 25 gefährdeten Personen und sieben Gefährdern durchgeführt; nach Möglichkeit erfolgten nach einigen Monaten Zweitgespräche, um längerfristige Effekte der Interventionen zu erheben. Ziel dieses Untersuchungsschrittes war es, insbesondere die Zufriedenheit mit den gesetzten Maßnahmen und deren Nachhaltigkeit zu erheben. Schließlich wurden in allen Untersuchungsregionen Interviews mit VertreterInnen der institutionellen Akteure, die in den Interventionsprozess eingebunden sind, durchgeführt. Damit sollten die jeweiligen Vorgangsweise und die Interaktionen der verschiedenen Akteure bei der Vollziehung des Gewaltschutzgesetzes deutlich gemacht und einer Bewertung hinsichtlich ihrer Effektivität zugänglich gemacht werden.
Datenauswertung
Durchschnittlich wurde in 52 Prozent aller Fälle mit einer Streitschlichtung vorgegangen, in 43 Prozent mit WW/RKV und in 5 Prozent ausschließlich mit einer Strafanzeige. Hierbei werden allerdings Unterschiede zwischen den Wachkörpern deutlich: Bei der Polizei stehen WW/RKV und Streitschlichtungen in einem Verhältnis von 3:2, bei der Gendarmerie nur von 1:6.
Fast die Hälfte aller Einschreitungen erfolgte bei Ehepaaren, ein Viertel bei Beziehungspartnern. Drei Viertel aller Interventionen betrafen also aufrechte Partnerschaften, zehn Prozent ehemalige Partnerschaften und zehn Prozent Eltern-Kind-Beziehungen. Neun von zehn gefährdeten Personen sind Frauen. Der Großteil von ihnen – nämlich fast zwei Drittel – ist zwischen 25 und 44 Jahre alt und ist als Arbeiterin oder Angestellte beschäftigt (jeweils etwa jede fünfte). Etwa jede fünfte gefährdete Person ist eine Migrantin, die Hälfte von ihnen stammt aus Ex-Jugoslawien. In fast jedem zweiten betroffenen Haushalt leben Kinder, die bei rund sechs Prozent aller Vorfälle auch direkt bedroht oder angegriffen wurden.
Rund neun von zehn Gefährdern sind Männer. Sie sind etwa gleich alt wie die von ihnen gefährdeten Personen, jeder zweite ist als Arbeiter bzw. Fach-/Vorarbeiter beschäftigt. Fast jeder fünfte ist arbeitslos. Bei WW/RKV sind sogar 55 Prozent der Gefährder Arbeiter und jeder vierte ist arbeitslos. Fast ein Viertel der Gefährder sind Ausländer; unter ihnen machen Ex-Jugoslawen mit 42 Prozent die größte Gruppe aus; Türken sind im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil unterrepräsentiert.
Extrem häufig spielt Alkohol bei diesen Vorfällen eine Rolle: Bei jedem dritten Einschreiten war der Gefährder alkoholisiert, bei jedem zehnten die gefährdete Person. In acht Prozent aller Fälle wurde eine Alkoholisierung beider Konfliktpartner festgestellt. Bei WW/RKV war sogar in 56 Prozent aller Vorfälle der Gefährder alkoholisiert.
Nur jede zehnte Intervention, aber jede vierte WW/RKV führt dazu, dass von der gefährdeten Person eine Einstweilige Verfügung beantragt wird. Unter den Frauen, die eine EV beantragt haben, sind Arbeiterinnen und Angestellte leicht unterproportional vertreten, Selbständige/Freiberuflerinnen, Hausfrauen und Pensionistinnen dagegen leicht überproportional. Migrantinnen sind unter den Antragstellerinnen unterdurchschnittlich vertreten. Im Untersuchungszeitraum wurde nur einem Antrag auf EV nicht stattgegeben, allerdings wurden einige noch vor der Beschlussfassung zurückgezogen.
Bei einem Viertel aller Vorfälle wurde die gefährdete Person verletzt. Strafanzeigen wurden vor allem wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung erstattet, wobei bei letzteren teilweise keine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt wurde. Fast die Hälfte aller Verfahren wurde eingestellt, zu einem Drittel ergingen Schuldsprüche.
Wenn Frauen die Gefährderin waren, führten diese Vorfälle fast ausschließlich zu Streitschlichtungen – ausschließlich in Graz wurden WW/RKV gegen Frauen verhängt. Ob Übergriffe von Frauen weniger schwerwiegend als die von Männern sind, oder ob die Exekutive weniger zu schwerwiegenden Maßnahmen greift, kann hier nicht beurteilt werden. Frauen hatten in erster Linie Auseinandersetzungen mit ihren Männern, aber auch Konflikte mit Müttern bzw. Töchtern waren relativ häufig. Die am stärksten vertretene Altersgruppe sind nicht die 30-Jährigen, sondern die 50- bis 54-Jährigen.
Interviews
Wichtig war für die gefährdeten Personen, dass sich die einschreitenden BeamtInnen bei der Intervention korrekt verhielten, dass sie sorgfältig über die Folgen der Maßnahmen informiert wurden und dass ihre Wünsche bezüglich der zu setzenden Maßnahmen berücksichtigt wurden. Zufriedenheit mit dem nachhaltigen Ergebnis der Intervention war vor allem dann gegeben, wenn die verhängten Maßnahmen nicht die persönlichen Pläne der gefährdeten Person durchkreuzten.
Streitschlichtungen wurden in einer Vielzahl der Fälle von den gefährdeten Personen nicht als probates Problemlösungsinstrument angesehen, da diese Maßnahme die Gefährder in ihrer Handlungsweise eher bestärkte bzw. ihnen das Gefühl vermittelte, dass man ihnen nichts anhaben könne. Maßnahmen nach § 38a SPG brachten im Unterschied dazu gelegentlich eine Signalwirkung mit sich, die entweder den Gefährdern ihr Fehlverhalten verdeutlichte, oder den gefährdeten Personen bewusst machte, dass sie den ohnehin schon in vager Form vorhandenen Wunsch bezüglich Trennung/Scheidung vollziehen sollten.
Der Großteil der gefährdeten Personen empfand das Einschreiten der Polizei/Gendarmerie als akute Stütze und deeskalierend. Gemischtgeschlechtliche Einsatzteams wurden von den gefährdeten Personen tendenziell als unparteiisch erlebt, männliche einschreitende Beamte dagegen meist als zu ihren Gunsten parteilich und damit unterstützend. Manche gefährdete Personen waren allerdings mit dem Verhalten der einschreitenden BeamtInnen nicht zufrieden. Die Beschwerden konzentrierten sich auf die untersuchten Gendarmeriegebiete, wo die kleinräumigen Strukturen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Betroffene und einschreitende BeamtInnen einander zumindest vom Sehen kennen. Die gefährdeten Frauen hatten in diesen Gebieten das Gefühl, dass sich die männlichen Beamten auf die Seite der Gefährder stellten und den Frauen zu verstehen geben wollten, dass sie an ihrer Situation selbst schuld seien bzw. dass man ihnen keinen Glauben schenkte.
Nur wenige Gefährder zeigten Schuldeinsicht. Dies wird ersichtlich durch ihre mangelnde Bereitschaft, Verletzungen zuzugeben, die sie den gefährdeten Personen zugefügt hatten. Bei Streitschlichtungen waren die Gefährder zwar teilweise bereit einzugestehen, dass ihnen die Vorfälle leid getan hätten, aber ein Schuldbekenntnis legten sie nicht ab. In der Folge von Maßnahmen nach § 38a SPG reagierten viele Gefährder zunächst wütend, manche waren aber zumindest einige Tage nach der Intervention bereit, ihre Frauen um Verzeihung zu bitten und dadurch teilweise ihre Schuld einzugestehen.
Die Frauen waren fast durchwegs mit der rechtlichen und psychologischen Betreuung durch die Interventionsstellen äußerst zufrieden. Viele Frauen sprachen davon, dass ihre Erwartungen bezüglich der Beratung und Hilfestellung durch diese Stellen übererfüllt wurden. Auch die Frauenhäuser wurden positiv beurteilt, da sie den Frauen durchwegs den erwarteten Schutz und die erhoffte Sicherheit bieten konnten. Die Betreuung von Migrantinnen durch diese Frauenberatungsstellen gestaltet sich besonders schwierig, weil diese entweder schlecht über Interventionsstellen und Frauenhäuser informiert sind oder die Befürchtung haben, dass die Mitarbeiterinnen ihre Situation aus kulturellen Gründen nicht verstehen würden. Diese Probleme weisen darauf hin, dass die Beschäftigung von muttersprachlichen Beraterinnen in Frauenberatungsstellen essentiell ist. Die Bewertung der Jugendämter durch die Mütter fiel im Vergleich zu den Frauenhilfseinrichtungen etwas schlechter aus, da sich einige Frauen nicht unterstützt oder falsch informiert sahen.
Mit dem Gewaltschutzgesetz konnte die Zielvorgabe, die Unterbrechung der Gewaltspirale durch die Entfernung des Gewalttäters sowie die Stärkung und Unterstützung des Gewaltopfers durch die Interventionsstellen, jedenfalls erreicht werden – darüber besteht Konsens bei allen befragten Personen, sei es bei den von Gewalt betroffenen Frauen, sei es bei den VertreterInnen der in den Gewaltschutz eingebundenen Akteure. Neben der erfolgreichen Krisenintervention und Stützung im akuten Notfall wurde dem Gesetz auch durchgängig eine gesellschaftspolitische Signalwirkung und damit eine wichtige Präventivwirkung zuerkannt.