1996: Gewalt gegen Exekutivbeamte und -beamtinnen


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka


Durchführung: Dr. Birgitt Haller
Dr. Ilse König
DSA Christina Radner


Finanzierung: Bundesministerium für Inneres


Fertigstellung: Juni 1996


In der Studie werden Sichtweisen und Fakten über Gewalt gegen ExekutivbeamtInnen dargestellt. Die Ergebnisse basieren auf einer Repräsentativbefragung in der Exekutive, ExpertInneninterviews, statistischem Material, einer Medienanalyse und einer vergleichenden Literaturauswertung.

Das “Sicherheitsgefühl” der österreichischen ExekutivbeamtInnen in bezug auf Kriminalität ist sehr gering ausgeprägt. Das Gros ist davon überzeugt, daß die Zeiten unsicherer geworden seien und auch das eigene Berufsrisiko stark zugenommen habe, daß die Exekutive zunehmend Bedrohungen, tätlichen Angriffen und Verletzungen, teilweise auch mit Todesfolge, ausgesetzt sei. In Verbindung gebracht werden die genannten Veränderungen mit einer, zumindest angenommenen, Zunahme von Aggressivität und Konfliktbereitschaft in der Gesellschaft, insbesondere auch von Straftätern, die im Gegensatz zu früher die VertreterInnen der Staatsgewalt nicht mehr länger als “sakrosankt” betrachten würden.

Aufgrund der Fragebogenerhebung, die sich auf Angriffe im Jahr 1994 und in den ersten Monaten 1995 konzentrierte, konnten einige Merkmale der Gewalt gegen ExekutivbeamtInnen analysiert werden.

Auffällig ist eine geographische Konzentration der Angriffe, bei der Oberösterreich an der Spitze steht. Oberösterreich ist uns in der Untersuchung als neuralgischer Punkt noch öfter begegnet, ohne daß wir eine schlüssige Erklärung dafür finden konnten, auch die interviewten ExpertInnen blieben uns eine solche schuldig.

Entgegen den geäußerten Annahmen der ExpertInnen ist Gewalt gegen ExekutivbeamtInnen nicht in erster Linie Großstadtphänomen, sondern stärker eines der kleinen Gemeinden. Ruhestörungen, Verkehrsdelikte, Raufhändel und Familienstreitigkeiten, also der “normale” Polizeialltag, waren in über der Hälfte der Fälle Anlaß für den Einsatz von BeamtInnen, bei dem sie Angriffe erlitten. Fast ein Drittel der Angriffe erfolgte bei Festnahmen, weitere vierzig Prozent bei Streitschlichtungen, Personalienfeststellungen, dem Anhalten von Fahrzeugen und Alkotests im Rahmen der genannten Anlässe.

In die Angriffe verwickelt sind, ebenfalls entgegen mancher Annahmen, weniger die jungen, unerfahreneren BeamtInnen, sondern solche, die schon zehn bis zwanzig Jahre im Dienst sind. Seltener als ihre männlichen Kollegen werden weibliche Beamtinnen angegriffen – ein Umstand, auf den die ExpertInnen mit dem positiven Vorurteil hinwiesen, daß Frauen generell befähigter zur Konfliktbewältigung wären, und daß auch “Verbrecher”, mit wenigen Ausnahmen, Hemmungen hätten, eine Frau anzugreifen.

Ein großes Problem stellt die in vielen Fällen bestehende Alkoholisierung der Angreifer dar. Ein wirksames, gewaltminderndes Mittel im Umgang mit Alkoholisierten, so zeigen auch Ergebnisse anderer Untersuchungen, scheint die Exekutive noch nicht gefunden zu haben. Die Folge sind dann oft Auseinandersetzungen, in denen BeamtInnen vom Angreifer vor allem geschlagen oder getreten werden, oder – wenn es sich um Verkehrsdelikte handelt – mit dem fahrenden Kraftfahrzeug an- oder auch überfahren bzw. von der Straße abgedrängt werden. Massive Bedrohungen und Angriffe mit Waffen sind äußerst selten, ebenso resultieren nur selten schwere Verletzungen aus den Angriffen. Die Mehrzahl der Auseinandersetzungen sind solche, in denen von beiden Konfliktpartnern versucht wird, mit Körperkraft den anderen zu überwältigen bzw. ihm zu entkommen. Verletzt werden dabei oft beide Parteien, wobei die Relation zwischen der Häufigkeit eigener Verletzungen und jener der Angreifer, entsprechend den oben getroffenen Bemerkungen, wiederum deutlich fehleingeschätzt wird.