2014: Vom Überschreiten der Grenzen: Das Leben und Werk von Herbert Steiner (1923 – 2001)


Durchführung: Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr


Finanzierung: Nationalfonds der Republik Österreich
Zukunftsfonds der Republik Österreich
Magistrat der Stadt Wien, MA 7, Kultur
Hans und Vally Steiner


Fertigstellung: Dezember 2014


Der Name Herbert Steiner ist untrennbar mit der Gründung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) verbunden. Diese erfolgte 1963 und stellte im Österreich der frühen 1960er Jahre einen überaus wichtigen Schritt in der Sicherung und Aufarbeitung von Zeugnissen der nationalsozialistischen Vergangenheit dar – nicht nur, was den von ÖsterreicherInnen geleisteten Widerstand betrifft, wie der Name suggerieren mag, sondern auch die vielfache Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen. Das DÖW war zudem von Beginn an eine überparteiliche Institution: Dies lässt sich sowohl an seinen Arbeitsschwerpunkten ablesen als auch an der Zusammensetzung der Vorstände und an den Kuratoriumsmitgliedern.

Der Name Herbert Steiner steht aber auch für eine intensive politische und kulturelle Tätigkeit im englischen Exil in der Organisation “Young Austria”, deren Sekretär er ab 1941 war; für die Förderung des Jura Soyfer-Gedenkens, das auch bis in diese Jahre zurückreicht; für eine lebenslange kommunistische Überzeugung, die aber im Laufe der Jahrzehnte zunehmend brüchig wurde; für seine wichtigen Leistungen im wissenschaftlichen Austausch zwischen West- und Osteuropa; für sein großes Interesse an der Erforschung der österreichischen Arbeiterbewegung und später auch der bürgerlichen Revolution 1848.

Dies alles und noch viel mehr beleuchtet die im Rahmen dieses Forschungsprojekts erarbeitete Biografie. Sie widmet sich ausführlich auch der Kindheit Herbert Steiners im Wiener Alsergrund, seine Politisierung und Ende 1938 erfolgte Flucht nach England. Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt war die Erforschung des bislang wenig bekannten Elternhauses von Herbert Steiner und seine familiäre Einbettung – selbst ein Einzelkind – in eine große Verwandtschaft, v.a. mütterlicherseits. Die Biografie veranschaulicht deren unendlich beschwerliche Ausreisebemühungen aus einem nationalsozialistischen Heimatland, das Juden und Jüdinnen das Existenzrecht absprach. Alle Verwandten konnten Österreich rechtzeitig verlassen – bis auf Steiners Eltern selbst, die beide im Holocaust ermordet wurden.

Steiner, noch im November 1945 aus London nach Österreich zurückgekehrt, engagierte sich in der Kommunistischen Partei Österreichs, in der er zeitlebens verankert blieb, wenngleich er immer die Kommunikation und Zusammenarbeit mit VertreterInnen aller politischer Couleurs, ausgenommen der Extremen Rechte, suchte und pflegte.

Viel Energie investierte er in das DÖW, dem er 20 Jahre vorstand, sowie in die von ihm 1964 mitgegründete ITH, die Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiterbewegung, ein Konferenzformat, das bis heute existiert (jetzt unter dem Namen International Conference of Labour and Social History). In allen seinen Interessens- und Tätigkeitsfeldern war Steiner als umtriebiger Organisator, Netzwerker und vor allem auch Förderer von KollegInnen und NachwuchswissenschafterInnen bekannt und geschätzt.

Um die Persönlichkeit Herbert Steiner in ihrer Vielschichtigkeit fassen zu können, wurden an die 30 Interviews geführt, er selbst hat wenige Aufzeichnungen über sein persönliches Erleben hinterlassen. InterviewpartnerInnen waren Personen, die ihn noch aus dem Londoner Exil kannten, MitstreiterInnen in seinen verschiedenen Tätigkeitsfeldern sowie jene, die ihn auch noch die letzten Lebensjahre begleiteten, darunter insbesondere seine Frau Rella Steiner, verstorben im Juli 2013, und seine beiden Kinder Hans und Vally. Wichtige Quellen waren weiters sein im DÖW archivierter Nachlass sowie seine wissenschaftlichen Arbeiten und zahlreichen Herausgeberschaften.

Die Biografie ist im Verlag “Bibliothek der Provinz” erschienen.