
Projektleitung: | Mag.a Dr.in Helga Amesberger Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr |
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Durchführung: | Mag.a Dr.in Helga Amesberger Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr Mag.a Kerstin Lercher Mag. Andreas Baumgartner und Mag.a Isabella Girstmair (Sozialwissenschaftliches Forschungsbüro) |
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Finanzierung: | Bundesministerium für Inneres | |
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Fertigstellung: | August 2010 |
Dem KZ-System Mauthausen und seinen insgesamt über 200.000 Häftlingen im Stamm- und in zahlreichen Außenlagern sind bis zu 10.000 Frauen zuzurechnen. Der Großteil von ihnen erreichte Mauthausen erst in den letzten Kriegsmonaten und -wochen, von anderen Konzentrationslagern kommend oder von der österreichisch-ungarischen Grenze zu Fuß nach Mauthausen getrieben. Diese Frauen wurden nicht mehr registriert – daher die bislang hohe Zahl von namenlosen weiblichen Mauthausenhäftlingen und das fehlende Wissen über deren Leben und Verfolgung. Die Zahl der in Mauthausen registrierten Frauen beläuft sich auf gut 4.000, doch auch hier sind die Informationen zu den einzelnen Namen in den SS-Unterlagen spärlich. Wenig Wissen gab es bislang auch über die einzelnen Frauenschicksale: Haftwege, Verhaftungsgründe, Erfahrungen während der Verfolgung etc. Von St. Lambrecht abgesehen ist die Geschichte der Außenlager weitgehend unerforscht, Beiträge in Sammelbänden berufen sich meist auf die Quellenlage von 1997, wie sie Andreas Baumgartner in “Die vergessenen Frauen von Mauthausen. Die weiblichen Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und ihre Geschichte” aufbereitet hat. Nur in Teilaspekten wurde das Wissen um weibliche Häftlinge in Mauthausen in den Folgejahren erweitert.
Dies war die Ausgangslage der Studie “Weibliche Häftlinge im KZ Mauthausen und seinen Außenlagern”, die den Versuch einer möglichst umfassenden Annäherung an die Geschichte der Frauen in Mauthausen darstellt. Das Vorhaben wurde in eine Pilotstudie (2006-2008) und eine Hauptstudie (2008-2010) unterteilt, da in vielen Bereichen erst die Rahmenbedingungen für die Durchführung eines derartigen Unternehmens geschaffen bzw. optimiert werden mussten, um eine erfolgreiche Umsetzung des Gesamtvorhabens zu ermöglichen. Der Endbericht der Hauptstudie beruht auf den Ergebnissen von vier sich aufeinander beziehenden Arbeitsschwerpunkten, nämlich der Erfassung der Grunddaten zu den Frauen von Mauthausen (namentliche Erfassung), der Aufbereitung und Analyse lebensgeschichtlicher Interviews mit weiblichen ehemaligen Mauthausen-Häftlingen, der Erforschung der Frauen-Außenlager von Mauthausen sowie der Kontextualisierung der Verfolgungsgeschichten im internationalen Rahmen.
Der Abschlussbericht gliedert sich in drei von der Aufbereitung wie vom Inhalt sehr unterschiedliche Teile.
In Teil A wird das Projekt Namentliche Erfassung erläutert. Einer Leseanleitung zur Datenbank und deren Handhabung folgt eine umfassende Quellenbeschreibung und Quellenkritik sowie eine erste statistische Überblicksauswertung der Informationen zu insgesamt 6.710 Namen. Für die namentliche Erfassung wurden über 11.000 Quelldatensätze verarbeitet, es erfolgten rund 7.700 Neueintragungen. Ausgehend von gut 4.000 Namen konnten also rund 2.700 weitere Namen von Frauen eruiert werden. Die Projektdatenbank wird zu einem späteren Zeitpunkt in die Häftlingsdatenbank des Mauthausen Memorial eingespeist.
Teil B veranschaulicht den im Laufe des Projekts erarbeiteten Wissensstand zu den ehemaligen weiblichen Häftlingen von Mauthausen, der sich aus sämtlichen oben genannten Arbeitsmodulen und Quellen speist, mit Schwerpunkt auf den Erzählungen der im Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP), einem in den Jahren 2002/2003 durchgeführten Oral History-Projekt, interviewten Frauen. Er umfasst eine grundlegende Analyse und zahlreiche neue Ergebnisse zu den Themenbereichen Wege nach Mauthausen, die Ankunft der Frauen, deren Unterbringung in einem Männer-Konzentrationslager, die sozialen Beziehungen im Lager, Zwangsarbeit im Stammlager, die Außenlager für Frauen, die letzten Tage in Mauthausen sowie Ausführungen zu nationalen Verfolgungskontexten und Erinnerungskulturen.
Teil C bietet Kurzbiografien zu rund 80 in Mauthausen inhaftierten Frauen. Ihr Schicksal ist einzigartig – und dennoch stehen sie stellvertretend für viele weitere Frauen mit ähnlichen Erfahrungen. Grundlage für die Biografien waren in erster Linie ebenfalls die MSDP-Interviews, aber auch weitere Quellen, die eine biografische Annäherung ermöglichten, wie etwa kurz nach der Befreiung gesammelte Erfahrungsberichte (DEGOB-Berichte) und veröffentlichte Autobiografien.
Die Arbeit versucht zweierlei Ansprüchen gerecht zu werden, die weithin als Gegensätze angesehen werden (und es zu einem Teil auch sind): Der Anspruch, das bestehende Wissen um neue Fakten zu erweitern, in manchen Fällen auch zu korrigieren bzw. neu zu interpretieren (Faktengeschichte, “objektive” Geschichte). Dazu haben wir auch die “subjektiven” Aussagen der Interviewpartnerinnen herangezogen, da sie oftmals die einzigen Quellen für bislang unbeantwortete Fragen bieten. Es ist und bleibt immer eine Frage der Abwägung, inwieweit welche Aussagen übernommen, relativiert oder verworfen werden müssen. Es war auch ein Vergleich der Erzählungen selbst notwendig, um die wahrscheinlichste Version eines Ereignisses zu rekonstruieren – ohne dabei individuelle Erlebnisse, weil “untypisch”, außer Acht zu lassen. Fakten und Erinnerungen können im Widerspruch zueinander stehen, außergewöhnliche Erfahrungen im Widerspruch zu Routineerlebnissen, die Sichtweise von Kindern im Kontrast zu Erwachsenenerzählungen. Erst aber die subjektive Sichtweise macht die vielfältigen Realitäten hinter nackten Zahlen und Fakten erahnbar. Anliegen war es, gerade diese subjektive Sichtweise, das subjektive Erinnern sichtbar und nachvollziehbar zu machen, den Gemeinsamkeiten und Unterschieden nachzugehen und für beide Erklärungen zu finden.