2009: Namentliche Erfassung der ehemals inhaftierten ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück – Ausweitung der Archivrecherchen


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.in Erika Thurner (BMWF, Zukunftsfonds)
Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka (BMASK, Nationalfonds)


Durchführung: Mag.a Dr.in Helga Amesberger
Mag.a Dr.in Brigitte Halbmayr
Mag.a Kerstin Lercher


Finanzierung: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Nationalfonds der Republik Österreich
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
Zukunftsfonds der Republik Österreich


Fertigstellung: Juni 2009


Auch 60 Jahre nach der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück steht noch immer nicht fest, wie viele Österreicherinnen und Österreicher dort inhaftiert waren. Da österreichische Häftlinge als Reichsdeutsche geführt wurden, ist es schwierig, die tatsächliche Anzahl von inhaftierten ÖsterreicherInnen zu eruieren. Zudem wurden viele Dokumente noch von den Nationalsozialisten vor der Räumung des Lagers vernichtet. Des weiteren besteht bei den wegen eines (vermeintlichen) kriminellen Delikts oder angeblicher “Asozialität” Inhaftierten eine schwierigere Quellenlage, da diese nicht zu den anerkannten Opfergruppen zählen und daher in den Akten der Opferfürsorge – eine für dieses Projekt sehr bedeutende Quelle – in der Regel nicht aufscheinen. Ebenso ist anzunehmen, dass viele wegen “Verbotenen Umgangs” inhaftierte Frauen – sie waren bis in die 1950er-Jahre von den Leistungen ausgeschlossen – keine Anträge stellten. Um auch diese Gruppen erfassen zu können, mussten die Recherchen auf die Archive der Bundespolizeidirektionen ausgedehnt werden. Die Suche nach Haftbüchern bzw. -karteien (1938-1945) gestaltet sich unerwartet schwierig, ein Teil der Haftbücher konnte – trotz intensiver Bemühungen – bisher nicht gefunden werden (z.B. in Wien und St. Pölten); wir vermuten, dass sich diese nach wie vor in Moskau befinden. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein Teil der Akten der Bundespolizeidirektion Wien und St. Pölten dem Staatsarchiv zurück gegeben werden. Die Recherche in den Bundespolizeidirektionen wurde durch die Notwendigkeit von deren Genehmigung durch die Datenschutzkommission sehr stark verzögert.

Durch die Ausweitung der Recherchen auf die Archive der österreichischen Bundespolizeidirektionen gelang es insbesondere, Daten zu einer in unserer Datenbank und auch sonstigen Forschungen bislang deutlich unterrepräsentierten Häftlingsgruppe zu sammeln, den wegen “kriminellen” oder “asozialen” Verhaltens inhaftierten Österreicherinnen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Insgesamt ergab die Durchsicht der Haftbücher fast 300 Neueinträge in die Datenbank (darunter eine hohe Anzahl wegen sogenannter “Kriminalität” oder “Asozialität” Inhaftierter). Zudem konnten für bereits bestehende Einträge die Daten zum Haftweg, Haftdauer und Verhaftungsgrund vervollständigt werden. Die Datenbank zum Projekt, welche seit 2005 in Arbeit ist, enthält mittlerweile die Namen von 2.741 Personen, annähernd drei Mal so viele wie jahrzehntelang für Österreich angenommen wurde. Bei den uns bekannten Personen handelt es sich – trotz ergiebiger Recherchen in den Polizeiarchiven – vorwiegend um Personen, die aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden.

Durch die neuerliche Subventionszusage des Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird es 2010 möglich sein, die Datenerhebung zur namentlichen Erfassung der österreichischen Inhaftierten in Ravensbrück abzuschließen, die Datenbank zu bereinigen und eventuell erste Auswertungen im Hinblick auf soziale Herkunft, Verfolgungsgeschichte und das Leben nach 1945 (sofern die Personen überlebt haben) vorzunehmen.

Es ist beabsichtigt, eine weitere Finanzierung vorausgesetzt, Teile der Datenbank via Internet zugänglich zu machen und die Ergebnisse der Auswertung sowie ein Gedenkbuch mit den Kurzbiographien der österreichischen Ravensbrückhäftlinge zu publizieren.