2000: Lebenserinnerungen. Eine Dokumentation über die inhaftierten Österreicherinnen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka
Univ.-Doz. Dr.in Erika Thurner


Durchführung: Mag.a Helga Amesberger
Mag.a Brigitte Halbmayr


Finanzierung: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank


Fertigstellung: Mai 2000


Die umfangreichen Recherchen für dieses Projekt haben gezeigt, dass noch rund 100 Frauen in Österreich leben, die während des NS-Regimes in das Konzentrationslager Ravensbrück, etwa 80 km nördlich von Berlin gelegen, deportiert worden waren. Knapp die Hälfte, nämlich 42 Frauen, waren bereit und gesundheitlich noch in der Lage, in mehrstündigen biographischen Interviews ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Großteils wurden die Interviews auch auf Video aufgezeichnet.

Die Studie verfolgte sowohl dokumentarische als auch wissenschaftliche Ziele. Die Dokumentation soll die Erfahrungen auch weniger bekannter Frauen, deren bewegte Geschichte und oft unfaßbares Leid vor dem Vergessen bewahren und für die Nachwelt erhalten. Mit Hilfe von lebensgeschichtlichen Interviews gelang es, historische Zeugnisse über Kindheit, Jugend, Zeit der Verfolgung und Leben nach der Befreiung zu gewinnen. Die aufgezeichneten Lebensgeschichten sind somit auch eine Dokumentation über das 20. Jahrhundert. Weiters ist im Bewusstsein (junger) Menschen nach wie vor kaum verankert, dass auch Frauen und Kinder Betroffene und Leidtragende des NS-Vernichtungsapparates waren – das Projekt ist somit auch ein Beitrag zur Geschichte der Frauen.

Die Lebensgeschichten der ehemaligen Inhaftierten des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück sind denkbar unterschiedlich. Von besonderem wissenschaftlichen Interesse war daher, diese Unterschiede in der Sozialisation, in der Verfolgungsgeschichte und in den “Verarbeitungsstrategien” herauszuarbeiten. Die oftmalig in Forschung und Literatur anzutreffende Beschränkung auf den relativ kurzen, wenn auch prägenden Lebensabschnitt, nämlich die Leidensgeschichte im Konzentrationslager, wurde dadurch umgangen, dass zum einen die Bedeutung gewisser Sozialisationserfahrungen für den Weg in den Widerstand und für die Verhaltensweisen im KZ und zum anderen die Verarbeitung der traumatischen Erfahrungen der KZ-Haft im Alltag – eingebettet in den sozioökonomischen und gesellschaftspolitischen Kontext – wesentliche Themenbereiche waren.

Weitere zentrale Fragestellungen kreisten um die unterschiedlichen Formen des Widerstands und die Motivation der Frauen für widerständiges Handeln. Im Zentrum des Themenbereichs “KZ-Haft” standen, neben der Darstellung der strukturellen Rahmenbedingungen im KZ Ravensbrück, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zum Überleben für die verschiedenen Häftlingsgruppen sowie die Auswirkungen der von der SS geschaffenen Hierarchisierung der Häftlinge auf Solidarität, Widerstand und Ausgrenzung. Für die Zeit nach 1945 waren v.a. die “Verarbeitungsstrategien” von Interesse, insbesondere die Thematisierung der Vergangenheit innerhalb der Familie und mögliche Auswirkungen des gesellschaftlichen Umfelds auf die persönliche Verarbeitung.

Die Studie ist in zwei Teile gegliedert. Teil 1 behandelt die oben angeführten Fragestellungen, Teil 2 setzt sich aus den Kurzbiographien der befragten Frauen zusammen. In diesen gerafften Lebensgeschichten kommen die Frauen in zahlreichen Interviewausschnitten nach Möglichkeit selbst zu Wort.

Im April 2001 erschien die zweibändige Publikation: Amesberger, Helga/ Halbmayr, Brigitte: “Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung.” Band 1: Dokumentation und Analyse, Band 2: Lebensgeschichten. Wien: Verlag Promedia 2001