Projektleitung: | Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka | |
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Durchführung: | Mag.a Barbara Liegl | |
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Finanzierung: | Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, Projekt Nr. 8431 Stadt Wien – MA 18 |
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Fertigstellung: | Oktober 2001 |
Der 1980/81 seinen Höhepunkt erreichende Konflikt zwischen Bruno Kreisky, Bundeskanzler und Parteivorsitzender der SPÖ, und Hannes Androsch, Vizekanzler und stellvertretender Parteivorsitzender, zählt zu den dramatischsten innerparteilichen Auseinandersetzungen der Zweiten Republik. Er führte zur Verdrängung eines prominenten Sozialdemokraten aus der Regierung, wenn es auch nicht so wie im “Fall Olah” zu einem Bruch des aus der Regierung Ausscheidenden mit der Partei kam. Bisher veröffentlichte biografische Skizzen, Überblicksdarstellungen und Analysen lassen großteils sowohl einen zeitgeschichtlichen als auch einen politikwissenschaftlichen Zugang zu diesem Konflikt vermissen. Das erkenntnisleitende Interesse dieses Projektes umfasst daher die den Konflikt auslösenden Faktoren und die durch das Ausscheiden Androschs aus der Politik möglicherweise erfolgte Beeinflussung des weiteren Kurses der Regierung und der zukünftigen Orientierung der Sozialdemokratie. Neben der Sichtung und Auswertung der Literatur bzw. der vom Kreisky-Archiv und von Hannes Androsch zur Verfügung gestellten Materialien wurde eine bisher vernachlässigte Quelle genutzt: Interviews mit ZeitzeugInnen dieses Konflikts.
In der zweiten Hälfte des Jahres 2000 wurden etwa 70 mögliche Auskunftspersonen brieflich oder telefonisch kontaktiert, um sie zu einem Gespräch einzuladen. Das Spektrum der InterviewpartnerInnen umfasste Regierungsmitglieder aus der Zeit zwischen 1970 und 1981, Mitarbeiter des Kabinetts Kreisky, des Finanzministers Androsch und anderer Regierungsmitglieder, Vertreter des ÖGB und der OeNB, Repräsentanten der damaligen Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ, Medienvertreter, aber auch Familienmitglieder der Kontrahenten. Um der Internationalität dieser beiden Politiker Rechnung zu tragen, wurden auch Vertreter der SPD und CDU/CSU in unsere Erhebung miteinbezogen. Insgesamt wurden 40 ZeitzeugInnen zu diesem Konflikt befragt, eine Zugangsweise, die es uns erlaubte, verschiedene subjektive Wahrnehmungen der einzelnen Befragten zu einem komplexen Bild zu verdichten und andere Erklärungsansätze als bisher üblich anzubieten.
Diese Gespräche ebenso wie die Auswertung der anderen bereits erwähnten Quellen dienten der Nachzeichnung der Vorgeschichte des Konflikts, der Auslotung des Kräfteverhältnisses zwischen “pro-Kreisky” und “pro-Androsch” Strömungen in der SPÖ und der Wahrnehmung des Konflikts durch verschiedenste Seiten. Die durch die Befragten als konfliktauslösend bzw. als wesentlich bezeichneten Punkte unterschieden sich in ihrer Gewichtung abhängig von deren politischer Verortung, deren Allianzzugehörigkeiten und deren Zugang zur Politik. Eine Lagerbildung innerhalb der SPÖ wurde von einem Großteil der Befragten nicht festgestellt, beide Politiker hatten BefürworterInnen aus sehr unterschiedlichen politischen Richtungen, wodurch die Allianzen beider Seiten sehr heterogen waren. Das Ausscheiden Androschs aus der Politik bezeichneten nur sehr wenige Interviewte als folgenlos für die Politik der SPÖ und der Regierung. Einige wenige Stimmen werteten sein Ausscheiden als positiv, da dadurch die weitere Bindung von linken Wählerschichten an die SPÖ ermöglicht worden sei. Großteils waren sich die Befragten einig, dass der SPÖ mit Androsch ein großes politisches Talent verloren gegangen sei und dass durch den Abgang des “Kronprinzen” die Kanzlernachfolge nicht reibungslos verlaufen konnte. Die pro-Androsch Seite sah durch den Abschied des Finanzministers aus der Politik eine verpasste Chance, Androschs wirtschaftspolitische Zukunftsvisionen zu nutzen und umzusetzen.