Projektleitung: | Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka | |
|
|
|
Durchführung: | Dr.in Birgitt Haller DDr. Nikolaus Dimmel (Universität Salzburg) |
|
|
|
|
Finanzierung: | Bundesministerium für Justiz Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, Projekt Nr. 6491 |
|
|
|
|
Fertigstellung: | Jänner 2000 |
Da es in Österreich bislang keine breiter angelegten justizsoziologischen Untersuchungen über die Richterschaft gibt, sollten im Zuge dieses Forschungsprojektes möglichst viele Fragestellungen angesprochen werden. Der Bogen der Untersuchung spannt sich daher von der Primärsozialisation über Studium, Berufssozialisation und Berufsverständnis bis zu Einstellungen gegenüber rechtspolitischen Fragen und der Diskriminierung von Frauen im Justizdienst. Mittels qualitativer leitfadenorientierter Interviews wurden diese Themenbereiche in den beiden Oberlandesgerichtssprengeln Wien und Innsbruck untersucht.
In beiden OLG-Sprengeln wurden im Laufe des Jahres 1999, und zwar überwiegend im Frühsommer, jeweils zwanzig Interviews mit Richterinnen und Richtern geführt, die nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Tätigkeit an Bezirksgerichten/Gerichtshöfen erster Instanz und Tätigkeit im Zivil- bzw. Strafbereich gestreut wurden. Auch wurden sowohl die erste Instanz als auch die Rechtsmittelinstanz einbezogen. Im OLG-Sprengel Wien konzentrierten wir uns aus forschungsökonomischen Gründen ausschließlich auf in Wien ansässige Gerichte, während im OLG-Sprengel Innsbruck auch auswärtige Gerichte in Tirol und Vorarlberg einbezogen wurden. Um zu gewährleisten, dass die Auswahl unserer InterviewpartnerInnen die Struktur der jeweiligen Untersuchungseinheit widerspiegelt, ersuchten wir die Justizverwaltung um eine Aufstellung sämtlicher dort tätiger RichterInnen.
Um möglichst deutlich zwischen der älteren und der jüngeren Generation innerhalb der Richterschaft unterscheiden zu können, verstanden wir als Jüngere die Geburtsjahrgänge 1964 bis 1968, bei den Älteren strebten wir für die Männer die Zugehörigkeit zu den Geburtsjahrgängen 1933 bis 1938 an, für die Frauen die Jahrgänge 1939 bis 1943. Gelegentlich mussten diese Altersgruppen etwas nach unten erweitert werden, da zum Beispiel an den Bezirksgerichten kaum RichterInnen aus diesen Geburtsjahrgängen tätig sind. Beim Kriterium Geschlecht berücksichtigten wir, dass in Wien die Zahl der Richterinnen deutlich höher ist als in Westösterreich.
Neben der Gruppe der RichterInnen wurden auch VertreterInnen der Justizverwaltung einerseits sowie der Richtervereinigung und der Gewerkschaft andererseits befragt. In Wien wurden zehn und in Innsbruck fünf solcher Interviews durchgeführt. In beiden OLG-Sprengeln wurden der Präsident und der Vizepräsident sowie ein/e weitere/r MitarbeiterIn des Oberlandesgerichtes befragt. Im Bundesministerium für Justiz konnten Gespräche mit den beiden für Personalfragen in den jeweiligen untersuchten Sprengeln zuständigen ReferentInnen geführt werden. Vier RichterInnen wurden als VertreterInnen der Richtervereinigung angesprochen, zwei als GewerkschaftsfunktionärInnen. Und schließlich erfolgte ein Interview mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen beim Bundesministerium für Justiz.
Die Richterschaft erwies sich bei dieser Untersuchung als überraschend uniform. Die erwähnten Variablen, die als mögliche Differenzierungskategorien eingeführt worden waren, ermöglichten kaum das Herausarbeiten von strukturellen Unterschieden innerhalb der Befragtengruppe. Im Bericht wurde ein Richter zitiert, der in Zusammenhang mit der sozialen Herkunft seiner BerufskollegInnen meinte, diesbezügliche Unterschiede kämen nicht zum Tragen, “das schleift sich ab, wenn die erst einmal Richter sind”. Diese Aussage trifft tatsächlich zu, und zwar nicht nur hinsichtlich des Herkunftsmilieus, sondern sehr umfassend. Einzig das Kriterium der Generationszugehörigkeit spielte bei manchen Themenbereichen eine Rolle. Der Erwerb eines professionellen Habitus wird wesentlich durch Mechanismen der beruflichen und sozialen Konformität beeinflusst. Das mag im Sinne der Rechtssicherheit von großer Wichtigkeit sein, trotzdem war diese Uniformität innerhalb der Richterschaft überraschend, vor allem weil die InterviewpartnerInnen immer wieder betonten, dass Richterinnen und Richter ausgeprägte Individualisten wären.