Projektleitung: | Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka | |
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Durchführung: | Mag. Sabine Kroißenbrunner | |
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Finanzierung: | Wiener Integrationsfonds Magistrat der Stadt Wien, Kulturamt |
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Fertigstellung: | September 1996 |
Mangels empirischer und qualitativer Untersuchungen über Organisationen türkischer ArbeitsmigrantInnen in Österreich im allgemeinen und in Wien im besonderen, mußten als Informationsquellen vor allem Interviews und – falls überhaupt erhältlich – Materialien (Broschüren, Flugblätter, etc.) der Vereine verwendet werden. Aus der Vielzahl an Vereinen und Organisationen wurden fünf ausgewählt: Milli Görüs (Vereinigung der Nationalen Weltsicht), IKM (Union Islamischer Kulturzentren in Österreich), ATIGF (Föderation der Arbeiter und Jugendlichen aus der Türkei), Verein für Österreichisch-Türkische Freundschaft, Dachorganisation Türkische Kultur- und Sportgemeinschaft (“Graue Wölfe”). Diese Vereine sind (bis auf die IKM) mit einer türkischen Partei ideologisch und/oder institutionell verbunden.
Kapitel 1 der Studie kritisiert die Konzentration österreichischer Sozialwissenschaften im Bereich Migration (mit wenigen Ausnahmen) auf den Aspekt der Integration ausländischer ArbeitnehmerInnen in den Sozialstaat (und allenfalls auf die dafür notwendigen politischen bzw. Bürgerrechte). Der Frage nach der sozialen und politischen Organisation von türkischen ZuwanderInnen wurde bisher noch keine Beachtung geschenkt. Damit wurde auch die Interessenspolitik der MigrantInnen, ZuwanderInnen als politische Akteure mit Forderungen, völlig ausgeklammert. Weiters argumentiert die Studie, daß nicht nur ein Zusammenhang zwischen “Integration” und der politischen Organisation von EinwanderInnen angenommen werden kann, sondern noch viel mehr einer zwischen Integration und jenen Institutionen des Aufnahmelandes, Kommunikations- und Konsultationsmechanismen gewährleisten sollten. Mit der Weigerung, ImmigrantInnenorganisationen als Ansprechpartner anzuerkennen, sondern statt dessen im Rahmen einer Politik der Ethnisierung die “Organisation kultureller Unterschiede” voranzutreiben, hat die österreichische Politik selbst einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß die erwähnten Vereine selbst kaum bis gar keine Ansätze in Richtung einer Entwicklung hin zu überparteilichen Interessensorganisationen zeigen. Kapitel 2 stellt die Funktionalität dieser Vereine der politischen Sozialisation in der Türkei gegenüber. Die ZuwanderInnen sind ja nicht nur als Arbeitskräfte gekommen; sie hatten und haben auch eine politische Identität, die in der Migration ein Kontinuum erfährt, sich dabei gleichzeitig verändert. Kapitel 3 schließlich untersucht aufgrund von Interviews, Vereinsmaterialien, internationaler und türkischsprachiger Literatur die Entstehung und Entwicklung, Ziele und Aktivitäten, Bündnispolitik, Organisationsstruktur und Mitglieder der fünf Vereine. Insgesamt wurden 23 Interviews mit Vereinsvorsitzenden, dort engagierten Personen, Imamen und Mitgliedern durchgeführt.
Die Studie, eine Pilotstudie auf diesem Gebiet, kommt zu einigen interessanten Schlußfolgerungen. Erstens hat eine ideologische Entpolarisierung unter den Vereinen stattgefunden, die Gefahr läuft durch die “Politik der Ethnisierung” wieder – allerdings zu den Fragen “Kultur” und “Identität” – entfacht zu werden. Die eigentlichen Auseinandersetzungen werden um das Thema “welche Art von Opposition und Agitation verbessert die Lage der türkischen ZuwanderInnen in Österreich” bzw. unterschiedliche Lebensstile geführt – und nicht mehr um Konflikte in der Türkei. Zweitens wird der Schwerpunkt “Jugendarbeit” von allen Vereinen als eher wenig erfolgreich betrachtet. Während, drittens, die linken Vereine eher eine Professionalisierung ihrer Betreuungstätigkeit oder politischen Forderungen anstreben, versuchen die islamistischen Vereine den Anspruch an umfassende Hilfe- und Solidaritätsleistung aufrechtzuerhalten. Ihnen geht es jedoch eher um die Errichtung einer “Parallel- oder Gegengesellschaft”, die zwar in die österreichische Gesellschaft integriert, dennoch mit allen Institutionen ausgestattet ist. Viertens gibt es kaum Bündnisse oder Zusammenarbeit unter den untersuchten Vereinen; auch die Zusammenarbeit mit österreichischen Institutionen ist nur sehr schwach vorhanden.
Die Studie soll schließlich aufzeigen, daß Struktur, Ziele und Umsetzung dieser Vereine entscheidend von der politischen Kultur und den Möglichkeiten der Einwanderungsgesellschaft geprägt sind, und weniger maßgeblich vom Heimatland. Gerade der Versuch des “empowerments” von türkischen MigrantInnen seitens dieser Vereine bietet, so das abschließende Argument, vielfältige Anknüpfungspunkte für Dialog, Kooperation und Auseinandersetzung.