1995: Polnische MigrantInnen in Wien


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka


Durchführung: Mag. Sabine Kroißenbrunner


Finanzierung: Magistrat der Stadt Wien, Kulturamt


Fertigstellung: April 1995


Ziel dieses dreimonatigen Projektes war eine empirische Bestandsaufnahme des verfügbaren Datenmaterials zur Zuwanderung und der Situation von polnischen MigrantInnen nach und in Wien. Dem dritten Teil, welcher anhand der drei wesentlichsten statistischen Quellen – ÖSTAT, MA 62/Bevölkerungsevidenz und Fremdenpolizei – die Struktur der polnischen Wohnbevölkerung Wiens zu erfassen sucht, gehen Teil I “Problemstellungen” sowie Teil II zum Thema “Wanderung aus Polen” voraus. Der Präsentation und Dokumentation der Datenlage in Teil III anhand der Kategorien “Umfang, Struktur und Entwicklung”, “Soziale Lage” und “Kulturelles und politisches Leben”, die darüberhinausgehend einen gruppenspezifischen Einblick gegebenermaßen verwehrt, wurde damit in den ersten beiden Abschnitten die Frage nach Funktion und Bedeutung von (polnischer) Migration für den nationalen und urbanen Kontext vorangestellt.

Zentrale These des ersten Teils ist, daß die Herausforderung Österreichs, u.v.a. Wiens, weniger in der Quantität osteuropäischer Daueremigration bzw. Einwanderung, sondern in einem speziellen Typus der Migration, nämlich der Pendelwanderung liegt. Anhand der Untersuchungen der beiden polnischen SozialwissenschaftlerInnen Marek Okólski und Mirjana Morokvasic (beide in Morokvasic, M./ Rudolph, H. (Hg): Wanderungsraum Europa: Menschen und Grenzen in Bewegung, Berlin 1994) wird ein spezifisches Wanderungsphänomen erläutert, welches sich nur bedingt in die Rotations- oder Integrationsmodelle mittel- und westeuropäischer Migrationspolitik(en) einfügt. Pendelwanderung ist eher durch Arbeitslosigkeit und Mangelwirtschaft als durch die soziopolitische Situation im Heimatland motiviert. Charakteristisch ist auch die Tatsache, daß die zeitliche befristete Mobilität von einem Teil der Bevölkerung als wichtigste, ja oft sogar einzige Ressource angesehen wird, die sie auf den (Arbeits)Märkten konkurrenzfähig erscheinen läßt.

Teil II stellt einen empirischen Überblick über “Polen als Quelle von Wanderung und Reisen” dar, der sich v.a. auf die Studie des polnischen Demographen Marek Kupiszewski (in: Atlas Ost – und Südosteuropa, Nr. 2.6. – PL 3, Wien 1993) stützt.

Die Formen und Charakterisierung polnischer Wanderung (durch polnischen Behörden und DemographInnen) werden mit den politischen und sozioökonomischen Veränderungen in Polen zwischen 1981 und 1994 in Zusammenhang gebracht, sowie nach den Zielen der Ausreisenden, nach der geographischen, demographischen und der Ausbildungs- und Beschäftigungsstruktur statistisch aufgeschlüsselt.

Teil III beschäftigt sich mit Umfang, Struktur und Entwicklung der polnischen Wohnbevölkerung in Wien zwischen 1980/81 und 1994. 19.537 PolInnen lebten 1994 in Wien. Das sind etwa dreimal soviel wie 1980 (6.045) und entspricht etwa dem Stand von 1934 (21.324).

Als bestätigend für die These der verstärkten Pendelwanderung in den 1990er Jahren werden u.a. folgende Charakteristika polnischer MigrantInnen in Wien angenommen: a) die Relation der polnischen männlichen “Reisenden” (66%) zum Anteil der in Wien ansässigen polnischen Männer (54%). Die Differenz wird als Pendelwanderung angenommen; b) die Altersstruktur polnischer ZuwanderInnen entspricht jener, die üblicherweise der “Frühphase der Zuwanderung ” zugeschrieben wird und wird v.a. über Neuzuwanderung verstärkt. Damit ist die Alters- und Geschlechterstruktur der PolInnen in Wien gleich jener, welche in Polen als “temporäre” Auswanderer gelten.