1998: Nationalsozialistische Tendenzen in Österreich in den 90er Jahren. Eine soziodemographische Analyse von Tatverdächtigen in Zusammenhang mit NS-Wiederbetätigung, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus


Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka


Durchführung: Mag. Helga Amesberger
Mag. Brigitte Halbmayr
Dr. Birgitt Haller


Finanzierung: Bundesministerium für Inneres
Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie
Bundeskanzleramt/Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz


Fertigstellung: Jänner 1998


Ziel dieses Forschungsprojektes war es, ein TäterInnenprofil in Zusammenhang mit rechtsextremen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Delikten in Österreich für den Zeitraum 1992 bis 1996 zu erstellen, um auf dieser Grundlage Erkenntnisse über soziodemografische Merkmale der Täterschaft und über “Karrieren” von TäterInnen zu gewinnen. Besonderes Augenmerk sollte dabei zum einen jugendlichen und zum anderen weiblichen Tatverdächtigen zukommen – Jugendlichen, weil sie einen großen Teil der Tatverdächtigen bilden, Frauen, weil ihre Rolle im Kontext dieser Straftaten immer noch relativ wenig erforscht ist.

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Sozialdaten der Tatverdächtigen (Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Einkommen, Vorstrafen, amtsbekannte Zugehörigkeit zu Subkulturen) erhoben sowie die Tatumstände (Ort und Zeitpunkt der Tat, Einzel-/Gruppentäterschaft, Alkoholisierung zum Zeitpunkt der Tat) und die strafrechtliche/verwaltungsrechtliche Erledigung. Die aufgenommenen Daten wurden in ein Computerprogramm eingegeben und quantitativ ausgewertet, teilweise wurden für bestimmte Fragestellungen qualitative Auswertungen vorgenommen.

Grundlage der Erhebung sind Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, nach § 283 StGB, nach dem Abzeichengesetz und nach Art. IX Abs.1 Z.4 (bzw. Z.7) EGVG; insgesamt konnten wir Anzeigen gegen 1.359 Tatverdächtige einbeziehen. Im vorliegenden Forschungsbericht werden zunächst die Ergebnisse für das gesamte Bundesgebiet präsentiert, denen Auswertungen für die einzelnen Bundesländer folgen. Daran anschließend werden Auffälligkeiten in den Bundesländern herausgehoben und mit den österreichweiten Durchschnittswerten in Beziehung gesetzt. Den Abschluß bilden zwei Sonderauswertungen bezüglich WiederholungstäterInnen und rechtskräftig verurteilten StraftäterInnen.

Wie der Titel dieses Berichtes nahelegt, wurde der Großteil der von uns recherchierten Anzeigen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung erstattet. Insgesamt erfolgten 85 Prozent aller Anzeigen wegen Wiederbetätigung, 9,6 Prozent in Zusammenhang mit fremdenfeindlichen und 5,4 Prozent in Zusammenhang mit antisemitischen Tathandlungen.

Auffallend ist der ausnehmend hohe Anteil von Jugendlichen an den Tatverdächtigen. Viele Straftaten werden gerade von Jugendlichen aus Imponiergehabe, aus Lust an der Provokation, aus Nichtwissen und Dummheit heraus getätigt. Aber ein Hakenkreuz kann sowohl Ausdruck zielgerichteten politischen Verhaltens sein als auch der Ausdruck von Protest. Daher darf der Anteil derer, die tatsächlich selbst – freiwillig und überlegt – rechtes Gedankengut verbreiten, Friedhöfe schänden, sich aggressiv fremdenfeindlich äußern, etc. nicht unterschätzt werden. Insbesondere die in der Bevölkerung weit verbreitete und offen eingestandene Ausländerfeindlichkeit ist ein günstiger Anknüpfungspunkt für rechtsextreme Propaganda. Auch hinsichtlich des niedrigen Bildungsniveaus und des sehr jugendlichen Alters mancher Tatverdächtiger ist das “Verführungspotential” besonders hoch.

Frauen sind – wie inzwischen bereits zahlreiche Untersuchungen belegen – nicht gegen rechtsextremes Gedankengut und rechte Ideologien immun, wenn auch ihr zahlenmäßiger Anteil an den Tatverdächtigen (und vor allem an den Verurteilten) sehr gering ist. Denkbar wäre aber auch, daß Frauen als “rechte” Täterinnen weniger wahrgenommen werden als Männer, daß ihnen ein solches Verhalten weniger zugetraut wird, und daß diesbezüglich auch Sicherheitsbeamte möglicherweise einen “blinden Fleck” haben. So war auffallend, daß in Vorarlberg zahlreiche Skinheads nach den hier untersuchten Tatbeständen angezeigt wurden, daß es in dieser Gruppierung auch einige weibliche Mitglieder gibt, gegen die aber keine Anzeigen erstattet wurden. Solchen weiterführenden Fragestellungen kann aber nur mit qualitativ ausgerichteten Untersuchungen nachgegangen werden, die wir damit nachdrücklich anregen möchten.