1996: Rassismen & Feminismen. Ausgewählte Analysen afrikanisch-amerikanischer Wissenschafterinnen und ihre Bedeutung für Österreich


Projektleitung: Dr. Ilse König


Durchführung: Mag. Helga Amesberger
Mag. Brigitte Halbmayr


Finanzierung: Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst


Fertigstellung: August 1996


Im Forschungsbericht werden zu Beginn umstrittene Begriffe wie “Rasse” und “rassisch”, die, anders als im europäischen Kontext, im amerikanischen Diskurs nahezu unproblematisiert verwendet werden, diskutiert. Theoretische Konzeptionen von Rassismus, dessen Funktion und Wirkungsweise sowie neue Erscheinungsformen von Rassismus bilden einen weiteren Schwerpunkt in der Begriffsklärung, die für die weiteren Ausführungen grundlegend ist.

Kapitel zwei und drei widmen sich den Analyseansätzen Afrikanisch-amerikanischer Wissenschafterinnen und Feministinnen. Aufbauend auf der Kritik an der Weißen Frauenbewegung, deren Betonung der “Global Sisterhood” und des Patriarchats als das Unterdrückungssystem schlechthin, haben Schwarze Feministinnen einen neuen Zugang und eine neue Analyseform von ausbeutenden und diskriminierenden Systemen entwickelt. In ihrer Konzeptualisierung der Simultanität und Multiplität von Unterdrückungsformen zeigen sie auf, wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, etc. ineinander eingeschrieben, miteinander verwoben sind. In ihren Ansätzen betonen sie auch die Machtverhältnisse zwischen Frauen und die strukturell ungleichen Beziehungen zwischen Frauen. Die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen führen zu unterschiedlichen Betroffenheiten durch Unterdrückungssysteme und unterschiedliche Beteiligung an Ausbeutung und Diskriminierung, auch von Frauen.

Die Sichtung europäischer Literatur zum Themenfeld Rassismus ergibt, daß manche WissenschafterInnen bereits weitere Unterdrückungsformen wie etwa Sexismus und Klassenunterdrückung, insbesondere jedoch Nationalismus in die Rassismus-Diskussion einbeziehen, eine Verknüpfung in den Analysen jedoch großteils noch nicht stattfindet. Auch innerhalb der Weißen feministischen Theorie und Praxis widerspiegeln sich nationalistische rassistische Denkweisen.

Die Relevanz dieser theoretischen Ansätze für die gesellschaftspolitische Forschung in Österreich zeigt sich in mehrfacher Weise. So ist neben den zahlreichen Anregungen, welche die im Projekt diskutierten Ansätze für die Beschäftigung mit Rassismus, Sexismus, Nationalismus etc. liefern, vor allem das Erkennen der Verwobenheit verschiedener Unterdrückungssysteme hervorzuheben. Die spezifischen Ausformungen der Interdependenzen müssen zwar für den österreichischen Kontext entsprechend der historischen und gesellschaftspolitischen Konstellation empirisch herausgearbeitet und gefaßt werden, das Konzept der Simultanität und Multiplitität ist aber dennoch als theoretischer Bezugsrahmen von größter Bedeutung. Für die Weißen und österreichischen Frauenbewegungen macht die Kritik deutlich, daß es nicht nur um das Hinzufügen einiger Aspekte von anderen Lebensrealitäten gehen kann, sondern um das Überdenken und die Veränderung diverser Konzeptionen und Prämissen. Die Auseinandersetzung mit dem Theoriengebäude Afrikanisch-amerikanischer Feministinnen verdeutlicht weiters, daß für die feministische Allianzenbildung die Thematisierung von Rassismus und Klassenherrschaft unbedingte Voraussetzung ist.