2023: ISRD-4 Austria – International Self-Report Delinquency Study (ISRD 4th Sweep), Dunkelfeldstudie zu Jugenddelinquenz und Viktimisierung in Österreich


Projektteam: Dr. Günter Stummvoll
in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien (IHS)


Finanzierung: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung
Bundesministerium für Justiz


Fertigstellung: April 2023


Studie zum Download


Das Institut für Konfliktforschung war an der vierten Befragungswelle der internationalen Dunkelfeldforschung zu Delinquenz und Viktimisierung von Jugendlichen (ISRD)[1] beteiligt und hat die Studie in Österreich geleitet. Für das School Sampling wurden die Städte Wien und Graz ausgewählt, in denen eine Stichprobe von Schulen für eine Befragung gezogen wurde (Mittelschulen, Berufsschulen und Polytechnische Schulen, Berufsbildende Mittlere Schulen, Berufsbildende Höhere Schulen, und Allgemeinbildende Höhere Schulen). Die Fragebögen wurden von den Schüler:innen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren digital bearbeitet. In 45 Schulen wurden insgesamt 126 Klassen besucht und es wurde ein Rücklauf von 2.295 Fragebögen erzielt. Der Vorteil von Dunkelfeldstudien gegenüber amtlichen Kriminalstatistiken liegt darin, dass nicht nur Straftaten und Opferdaten registriert werden, sondern auch Informationen über psychosoziale, kontextuelle und kulturelle Hintergründe zur Jugenddelinquenz erfragt werden können. Damit lassen sich Zusammenhänge zwischen begangenen und erlittenen Straftaten und den strukturellen Lebensbedingungen der Jugendlichen herstellen.

Etwas weniger als die Hälfte der in dieser Studie befragten Jugendlichen hat mindestens eines der 14 abgefragten Delikte begangen, wobei sich die Häufigkeit bei den meisten Jugendlichen auf Einzelfälle beschränkt. Das bestätigt die Annahme, dass Jugendkriminalität in den meisten Fällen ein seltenes und episodisches Phänomen bleibt, und nur eine sehr kleine Gruppe Jugendlicher über längere Zeit Straftaten begeht.

Das häufigste Delikt bei der begangenen Kriminalität ist der Ladendiebstahl. Alle Typen von Delikten werden öfter von männlichen Jugendlichen begangen. Online Hate Crime, Gruppenschlägerei, Körperverletzung und Raub gelten als typisch für männliche Jugendliche. Ladendiebstahl, Drogenhandel und Vandalismus werden etwas häufiger von autochthonen Jugendlichen begangen, Gruppenschlägereien werden öfter von Jugendlichen mit Migrationshintergrund angegeben. Die statistischen Zusammenhangsmaße sind allerdings sehr niedrig, so dass man nicht von signifikanten Unterschieden bei der Kriminalität von autochthonen und migrantischen Jugendlichen sprechen kann. Insgesamt führt geringe Selbstkontrolle, gemessen durch die psychischen Faktoren Impulsivität und Risikobereitschaft, zu gesteigerten Kriminalitätsraten.

In dieser Studie zeigt sich ein positiver statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der persönlichen Ablehnung von strafbaren Handlungen und dem eigenen Legalverhalten. Das bedeutet, dass das Unrechtsverständnis im Sinne eines „moralischen Filters“ als zweiter wesentlicher Faktor der Selbstkontrolle im Handeln Jugendlicher wirksam ist. Neben der Selbstkontrolle gilt soziale Kontrolle (etwa im Kontext Familie) als bedeutender Bestimmungsfaktor für Jugenddelinquenz.

Besondere Aufmerksamkeit wurde in dieser Auswertung der Vorurteilskriminalität (Hasskriminalität oder „Hate Crime“) vor allem in den sozialen Medien gewidmet. Junge Frauen sind signifikant stärker mit Bezug auf Aussehen, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität betroffen, dies gilt für autochthone wie auch migrantische Jugendliche.

[1] International Self-Report Delinquency Study (ISRD) https://isrdstudy.org